Deutschland bewegt sich. In Zeiten von Nullzinsen wächst der Mut der Bürger zu alternativen und nachhaltigen Investitionen. Statt Geld aufs Sparbuch zu packen, wird es für Energiegenossenschaften bereitgestellt. Die Energiewende wurde bisher zum großen Teil mit Bürgergeld finanziert. Und gemeinsam wird Geld für private Kitas, Kultureinrichtungen und Dorfläden aufgebracht. Fast alle Anbieter nutzen das Internet. Parallel dazu erleben Schwarmfinanzierungen (Crowdinvestments) im Netz eine Blüte: Viele kleine Finanzbeiträge ergeben die notwendige große Investitionssumme. Leider mischen auch schwarze Schafe bei den Finanzierungsformen mit, so dass der Bundestag mit dem Kleinanlegerschutzgesetz den grauen Kapitalmarkt schärfer regulieren musste.
„In dieser Debatte macht sich eine große Zufriedenheit breit. Man spürt, dass viel gemeinsam gearbeitet worden ist“, freute sich der Finanzexperte der SPD-Fraktion, Carsten Sieling, am Donnerstag, in der Anlegerschutzdebatte. Was Sieling und anderen Rednern so gefiel, war der Abschluss des Kleinanlegerschutzgesetzes, mit dem Verbraucher vor unseriösen und hochriskanten Finanzprodukten des grauen Kapitalmarktes besser geschützt werden. Zugleich bleiben Schwarmfinanzierungen und soziale Projekte weiter möglich. Auch die Opposition sah Fortschritte: Die lange Leine, an der der graue Kapitalmarkt bisher gelaufen sei, sei ein paar Zentimeter kürzer geworden, stellte Caren Lay (Fraktion Die Linke) fest.
Aktualisierung Bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen Linke und Grüne nahm der Bundestag den Gesetzentwurf (18/3994, 18/4708, 18/4709) an. Anleger sollen in Zukunft besser informiert werden als bisher, indem Anlageprospekte nicht mehr unbegrenzt gültig sein sollen, sondern müssen aktualisiert werden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wird mehr Kompetenzen erhalten und kann sogar Angebote in gewissen Fällen untersagen. Anbieter von Nachrangdarlehen und ähnlichen Produkten sollen ebenfalls verpflichtet werden, einen Prospekt zu erstellen. Da solche Darlehen aber auch beim Crowdinvestment sowie bei sozialen und gemeinnützigen Projekten zur Finanzierung eingesetzt werden, soll es hier Ausnahmen von der Prospektpflicht geben (bis zu einer Höchstsumme von 2,5 Millionen Euro).
„Das Kleinanlegerschutzgesetz fügt sich in eine Reihe von Maßnahmen ein, mit denen wir neue Sicherheitsnetze um die Finanzmärkte spannen wollen, um Sparer und Steuerzahler zu schützen“, erklärte die finanzpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Antje Tillmann (CDU) Das Gesetz habe das Ziel, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Verbraucherschutz und der Ermöglichung alternativer Finanzierungsformen sicherzustellen.
Es sei ärgerlich, dass die Vorschläge der Linken zum Anlegerschutz nicht angenommen worden seien. Denn das hätte viele Menschen vor dem Verlust ihrer Anlagen wie zum Beispiel durch den Zusammenbruch des Windanlagenherstellers und –betreibers Prokon bewahrt, stellte Lay fest. Das Gesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn er zu spät gemacht werde. Lay forderte aber einen Finanz-TÜV, „der dafür sorgt, dass Schrott erst gar nicht auf den Markt kommt, denn darauf kommt es im Endeffekt an“. Sie forderte: „Der graue Kapitalmarkt ist ein Sumpf, der trockengelegt werden muss.“
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte, bisher sei der Schutz der Verbraucher ausgerechnet da schwach gewesen, wo das Risiko hoch sei, wie am grauen Kapitalmarkt. „Welche verheerende Folgen das haben kann, hat der Fall Prokon gezeigt“, sagte Maas. Jetzt werde für mehr Transparenz gesorgt, Anleger würden besser geschützt. Bei bürgerschaftlichem Engagement „bleibt auch in Zukunft eine unbürokratische Finanzierung möglich“. Sieling sagte, der Anlegerschutz werde vorangebracht, ohne dass soziales Engagement gefährdet werde.
Für Gerhard Schick (Grüne) war bei den Beratungen der Eindruck entstanden, „als sei gute Politik für Verbraucher etwas, was im Gegensatz steht zu der Förderung von gemeinnütziger Wirtschaft, sozialen Initiativen und bürgerschaftlichem Engagement im wirtschaftlichen Bereich. Wir Grünen meinen, das ist nicht so.“ Gute Verbraucherpolitik müsse passgenau für die verschiedenen Lebensbereiche sei. „Genauso wenig wie es in der Bankregulierung sinnvoll ist, dieselben Regeln für die kleine Volksbank zu machen und die große Deutsche Bank – genauso wenig kann es sinnvoll sein, für große Fonds und für kleine soziale Projekte vor Ort dieselben Regeln zu haben.“ Da sei in dem Gesetzentwurf an vielen Stellen ein guter Ausgleich gelungen. Wie die Linke kritisierte Schick, dass die Gesetzgebung spät dran sei: „Warum braucht es immer einen neuen Skandal?“, fragte er.
Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper.