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finanzen : Tempo für Familien

Steuerförderung und Kinderleistungen sollen erhöht werden

26.05.2015
2023-11-10T16:39:06.3600Z
4 Min

Kindergeld, Kinderfreibeträge, Kinderzuschläge, und Freibeträge für Alleinerziehende: Das Steuerrecht ist voll mit Leistungen für Familien mit Kindern. Allerdings ging der Gesetzgeber mit Anpassungen dieser Leistungen in letzter Zeit etwas stiefmütterlich um. Jetzt kommt wieder Tempo in die steuerliche Förderung der Familien, wie in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages in der vergangenen Woche deutlich wurde. Und sogar eine Überraschung bahnt sich an: Danach könnte in das Gesetzgebungsverfahren auch eine Änderung des Steuertarifs hineingenommen werden, um die kalte Progression zu beseitigen.

Familienverbänden geht die von der Bundesregierung geplante Anhebung des Kindergeldes und des steuerlichen Kinderfreibetrages allerdings nicht weit genug. So sprach der Deutsche Familienverband in der Anhörung von einem "enormen Nachholbedarf", da Kindergeld und Kinderfreibetrag schon seit 2010 nicht mehr erhöht wurden. Inzwischen sei nicht einmal mehr die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des Kindesexistenzminimums garantiert. Die von der Bundesregierung vorgesehenen Erhöhungen sind nach Ansicht des Familienverbandes "völlig unzureichend". Ähnlich äußerte sich der Familienbund der Katholiken.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/4649) sieht vor, dass das Kindergeld rückwirkend ab 1. Januar 2015 um vier Euro monatlich je Kind erhöht werden soll. Ab dem 1. Januar 2016 ist eine Erhöhung um weitere zwei Euro monatlich je Kind vorgesehen (Details siehe Kasten). Außerdem soll der aktuell maximal

140 Euro monatlich betragende Kinderzuschlag soll ab 1. Juli 2016 um 20 Euro monatlich steigen.

Nach Ansicht des Familienverbandes muss der steuerliche Kinderfreibetrag auf die Höhe des Grundfreibetrages angehoben werden. Und der Verzicht auf eine rückwirkende Erhöhung des Kinderfreibetrages für 2014 sei "verfassungsrechtlich hoch problematisch". Diese Ansicht vertrat auch der Familienbund der Katholiken, der sich außerdem für eine Anhebung des Kindergeldes um zehn Euro pro Monat aussprach. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge und der Neue Verband der Lohnsteuerhilfevereine hielten eine rückwirkende Erhöhung ab 2014 für "verfassungsrechtlich geboten". Johannes Selder, Richter am Bundesfinanzhof, argumentierte dagegen: Seiner Ansicht nach reicht der bisherige Kinderfreibetrag in diesem Jahr aus und sei 2016 geringfügig zu niedrig: Dass für 2014 keine Anhebung erfolge, sei "verfassungsrechtlich unbedenklich"

Schieflage bei Entlastung Mehrere Sachverständige gingen auf die unterschiedliche Wirkung von Kinderfreibetrag und Kindergeld ein. Nach geltendem Recht prüfen die Steuerbehörden in jedem Fall, ob Kindergeld oder Freibetrag günstiger sind und wenden die für den Steuerzahler günstigere Regelung an. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärte, der Dualismus von Kindergeld und Kinderfreibetrag sei verfassungsrechtlich nicht zwingend und führe zu einer verteilungspolitischen Schieflage. Denn die Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge steige progressiv mit dem Einkommen der Eltern. "Der Familienausgleich sollte so erfolgen, dass jedes Kind dem Staat gleich viel wert ist und nicht bestehende Ungleichheiten noch verstärken", forderte der DGB, der die vorgesehene Kindergelderhöhung um sechs Euro in zwei Jahren als unzureichend bezeichnete.

Professor Joachim Wieland (Universität Speyer) machte die unterschiedliche Wirkung von Kindergeld und Freibetrag an Zahlen deutlich. 2014 wurden beim ersten und zweiten Kind 2.208 Euro Kindergeld pro Kind gezahlt. "Dem steht eine steuerliche Entlastung von 3.327 Euro bei Steuerpflichtigen gegenüber, die den Reichensteuersatz von 45 Prozent sowie den Solidaritätszuschlag zahlen." Da jedes Kind Anspruch auf staatliche Förderung in gleicher Höhe habe, sollte die steuerliche Entlastung durch einen Grundfreibetrag erfolgen, schlug Wieland vor. Einen Verzicht auf eine rückwirkende Erhöhung ab 2014 hat für ihn das Merkmal "eindeutiger Verfassungswidrigkeit".

Auch wenn der Gesetzentwurf dazu keine Regelung enthält, war der Freibetrag für Alleinerziehende ein Thema der Anhörung. Jürgen Brandt, Richter am Bundesfinanzhof und Präsident des Deutschen Finanzgerichtstages, verwies auf den Vorschlag des Bundesrates, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende um 600 Euro auf 1.908 Euro anzuheben und den Entlastungsbetrag nach der Kinderzahl gestaffelt für jedes weitere Kind um jeweils 240 Euro anzuheben. Der Vorschlag findet auch in den Koalitionsfraktionen Zustimmung. Die Erhöhung sei geeignet, "dieser Diskussion mit Blick auf die verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung des Existenzminimums in rechtskonformer Weise Rechnung zu tragen", so Brandt.

Der Neue Verband der Lohnsteuerhilfevereine machte auch Probleme beim Steuertarif aufmerksam. Durch die Erhöhung des Grundfreibetrages komme es zu einem starken Anstieg der Steuer in der ersten Progressionszone. Der extreme Anstieg der Steuer unmittelbar nach dem Grundfreibetrag mache den Einstiegssteuersatz von

14 Prozent "nahezu zur Makulatur". Auch für die Bundessteuerberaterkammer ist bereits seit längerer Zeit zu beobachten, dass sich die Belastungen immer mehr in den mittleren Einkommensbereich verschieben würden. Der Gesetzgeber solle dafür sorgen, "dass die höchste Progressionsstufe nicht bereits beim ca. 1,5-fachen eines Facharbeitergehalts beginnt", empfahl die Steuerberaterkammer.

Aus Fragen von Abgeordneten der CDU/CSU- und SPD-Fraktion nach einer Rechtsverschiebung des Steuertarifs um 1,5 Prozent wurde deutlich, dass sich Maßnahmen gegen die kalte Progression in einer konkreten Prüfungsphase befinden. Durch die Tarifverschiebung können inflationsbedingte Steuererhöhungen vermieden werden. Professor Frank Hechtner (Freie Universität Berlin) erklärte, mit der Rechtsverschiebung könne die Kalte Progression wohl vollständig beseitigt werden. In seiner Stellungnahme bezifferte er den Entlastungseffekt der Rechtsverschiebung des Tarifs für einen nicht verheirateten Arbeitnehmer mit einem Monatsbrutto von 3.000 Euro auf 72 Euro im Jahr bezifferte.

Die Rechtsverschiebung des Steuertarifs würde dazu führen, dass der Spitzensteuersatz erst bei einem höheren Einkommen als heute erreicht wird. Hechtner sagte, man könne aber auch die Auffassung vertreten, dass der Spitzensteuersatz von 45 Prozent "bei einer festen Grenze beginnen soll, die nicht durch Tarifanpassungen verschoben wird". Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagierte ablehnend., Es gebe andere Möglichkeiten, die kalte Progression zu reduzieren. Durch eine Abflachung des Tarifverlaufs müsse die Entlastung auf kleinere und mittlere Einkommen konzentriert werden.

Die unterschiedlichen Positionen zeigen: Ganz einfach wird das Verfahren nicht werden.