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PETITION : Nur echt im Bundestag

Der Petitionsausschuss will sich stärker von konkurrierenden privaten Plattformen abgrenzen

15.06.2015
2023-08-30T12:28:04.7200Z
4 Min

Normalerweise wird um die Arbeit des Petitionsausschusses nicht allzu viel Aufhebens gemacht. Und das, obwohl der Ausschuss eines der vom Grundgesetz vorgeschriebenen Gremien des Bundestags und nah dran wie kein anderer Parlamenetsausschuss an den Sorgen und Nöten der Bevölkerung ist. 15.325 Petitionen haben den Ausschuss im Jahr 2014 erreicht - immerhin 525 mehr als im Jahr zuvor. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses (18/4990) hervor, der den Ausschuss in der vergangenen Woche gleich zweimal aus seiner Anonymität in das Licht der Öffentlichkeit treten ließ: Am Dienstag wurde der Bericht an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) übergeben - mit anschließender Pressekonferenz der Obleute. Am Donnerstag wurde die Vorlage gleich nach den "Kernzeitdebatten" im Plenum behandelt.

Überhang an Petitionen Dabei kristallisierten sich drei Problemfelder heraus, mit denen der Ausschuss konfrontiert ist. So wies dessen Vorsitzende Kersten Steinke (Die Linke) auf die späte Konstituierung des Gremiums als Folge der langwierigen Koalitionsverhandlungen hin, die erst drei Monate nach der Bundestagswahl erfolgte. Dies habe zu einem "Überhang an beratungsreifen Petitionen" geführt, der noch immer nicht ganz abgearbeitet sei, sagte Steinke. Aus ihrer Sicht sind zwei Lösungen denkbar: So könne der Petitionsausschuss so lange im Amt bleiben, "bis sich eine neuer konstituiert hat". Alternativ dazu könne aber auch bereits in der konstituierenden Sitzung des Bundestages ein "vorläufiger Petitionsausschuss" bestellt werden. Steinke räumte ein, dass beide Verfahren Vor- und Nachteile hätten. "Fest steht jedoch: Es muss eine Lösung gefunden werden, damit Petenten nicht unverhältnismäßig lange auf eine Antwort warten müssen", betonte die Linken-Abgeordnete.

Abgesehen davon macht dem Petitionsausschuss des Bundestages zunehmend die Konkurrenz privater Petitionsplattformen im Internet zu schaffen. Mit teils kuriosen Folgen. So hätten sich laut Unions-Obmann Günter Baumann (CDU) Bürger beim Petitionsausschuss erkundigt, wie es denn mit ihrer Petition vorangehe, die sie aber - wie sich auf Nachfrage herausstellte - bei openpetition.de oder change.org eingereicht hätten. Es müsse gelingen, sich stärker davon abzugrenzen, forderte Baumann daher. "Nur der Petitionsausschuss des Bundestages kann über die Fachausschüsse Gesetze ändern", betonte er. Die privaten Plattformen sorgten für Missstände, sagte Steinke, da die dort eingereichten Petitionen nicht vom Bundestag anerkannt werden könnten.

Dampf ablassen "Wer nur mal Dampf ablassen will, kann das auch bei privaten Plattformen tun", fand der SPD-Obmann im Ausschuss, Stefan Schwartze. "Für Veränderungen kann aber nur der Petitionsausschuss sorgen", sagte auch er. Pragmatisch hingegen ging die Obfrau der Grünen, Corinna Rüffer, die Sache an. Man könne doch, so ihr Vorschlag, mit den Betreibern der Plattformen konstruktiv zusammenzuarbeiten. Etwa in der Gestalt, dass die Betreiber auf ihren Seiten einen Verweis auf den Petitionsausschuss des Bundestags platzieren, regte Rüffer an. SPD-Mann Schwartze blieb aber skeptisch. Bislang hätten die Betreiber privater Plattformen eine Verlinkung auf die Seiten des Bundestags noch immer abgelehnt, sagte er.

Ein weiteres Problem des Petitionsausschusses - zumindest aus Sicht der Opposition - ist der zu geringe Anteil an öffentlichen Sitzungen. Viermal tagte das Gremium laut Tätigkeitsbericht im Jahr 2014 öffentlich und bearbeitete dabei insgesamt elf Eingaben. Dabei ging es unter anderem um die Abschaffung von Sanktionen beim Arbeitslosengeld II, um das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA und die Reform der Pflegeversicherung auf der Grundlage eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Kerstin Kassner, Obfrau der Linksfraktion im Ausschuss, kann sich da mehr vorstellen. Ihrer Ansicht nach sollte das Quorum von 50.000 Unterstützern für eine Petition, das derzeit erreicht werden muss, um die Eingabe in öffentlicher Sitzung zu beraten, gesenkt werden.

Corinna Rüffer will die Ausschusssitzungen sogar generell öffentlich stattfinden lassen. Über "bedeutende Petitionen" sollte auch im Plenum des Bundestags beraten werden, forderte die Grünen-Abgeordnete. "Es ist absurd, wenn mehr als 90 Prozent aller öffentlichen Petitionen in nicht-öffentlicher Sitzung beraten werden", befand Rüffer. Die Menschen seien bereit, sich einzubringen. Dies zeige jede einzelne Petition. "Geben wir ihnen mehr die Möglichkeit dazu, als es heute der Fall ist", regte Rüffer an. Gerade in Zeiten der Politikverdrossenheit sei das besonders wichtig.

Erfolg scheint dem Vorstoß der Opposition jedoch nicht beschieden. So zumindest ist die Kritik von Andreas Mattfeldt (CDU) zu deuten, der monierte, dass viele Petitionen politisch motiviert seien und von bezahlten Verbandsvertretern eingereicht würden. Sie seien oft inhaltsgleich zu parallel stattfindenden Bundestagsdebatten und eigentlich eher an die Fachausschüsse zu richten. Den Oppositionsfraktionen warf er vor, den Petitionsausschuss "als Spielball für parteitaktische Spielchen" zu benutzen.

Im Schweinsgalopp Die Grünen-Abgeordnete Rüffer revanchierte sich mit dem Vorwurf an die Koalition, während der regulären Ausschusssitzungen die Petitionen im Schweinsgalopp durchzujagen und sich einer Debatte zu verweigern. Ein Vorwurf, den Schwartze so nicht stehen lassen wollte. Wenn die Opposition nicht einverstanden mit den Mehrheitsvoten der Koalition sei, könne sie das ja in den Ausschusssitzungen begründen, was jedoch nur selten passiere, sagte der SPD-Abgeordnete.

Einig waren sich Schwartze und Rüffer jedoch in der Feststellung, dass der vor zehn Jahren unter der rot-grünen Bundesregierung gefasste Entschluss, ein Modellprojekt für öffentliche Petitionen zu starten, ein Erfolg ist. "Damit sind wir endlich aus der Kummerkasten-Ecke herausgekommen", sagte Rüffer. Und der Sozialdemokrat freute sich, dass so aus dem Petitionsausschuss ein Instrument der direkten Demokratie geworden sei.