Es ist eine Warnung und zugleich ein Versprechen: „Wir werden nicht aufhören die Frage nach dem Bericht zu stellen – bis wir ihn haben“, sagte Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) vergangenen Freitag in einer Debatte, die erneut die Foltervorwürfe gegen US-Behörden im Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Terrorismus in den Mittelpunkt stellte.
Ein nur in Auszügen und an vielen Stellen geschwärzt veröffentlichter Bericht des Geheimdienstausschusses des US-Senats unter Vorsitz der Demokratin Dianne Feinstein brachte im Dezember 2014 auf rund 500 Seiten an den Tag, mit welchen Methoden der Auslandsnachrichtendienst CIA Terrorverdächtige nach den Anschlägen vom 11. September 2001 behandelt hatte. Das US-Justizministerium gab demnach im Jahre 2002 der CIA grünes Licht für sogenannte „verschärfte Verhörmethoden“– und machte damit den Weg frei für „Techniken“, die nach der von 156 Staaten und auch von der USA selbst ratifizierten „United Nations Convention against Torture“ als Folter gelten. Die US-Senatoren schreiben in ihrem Bericht über „Schläge und Griffe ins Gesicht, Stresspositionen, Einsperren in enge Kisten, Lärmbeschallung und Schlafentzug“ – bis hin zur Folter durch das sogenannte „Waterboarding“, dem simulierten Ertrinken des Gefangenen.
Akteure der damaligen US-Regierung unter Präsident George W. Bush hatten nach Veröffentlichung des Berichts ihr Handeln verteidigt: Die Verhörmethoden seien nötig gewesen, um weitere Terroranschläge auf die USA zu verhindern. Der Senatsbericht kommt allerdings zu dem Schluss, dass die unter Folter erzwungenen Aussagen im Kampf gegen den Terror nicht hilfreich waren.
Konsens In der Frage, wie solche Praktiken zu beurteilen seien, passt eigentlich kein Blatt zwischen Opposition und Koalition im Bundestag: „Grausam“ und „inakzeptabel“ seien die im Bericht aufgeführten Praktiken – und zweifellos ein Fall für die Staatsanwaltschaften und Gerichte. Doch während die Grünen mit ihrem Antrag – unterstützt von der Linksfraktion – darauf drängen, dass der Senatsbericht „ungeschwärzt und vollständig“ an das deutsche Parlament übermittelt wird, pochten Vertreter von Union und Sozialdemokraten auf die vorrangige Zuständigkeit der Justiz. Der Antrag der Grünen (18/3558) wurde mit den Stimmen der Koalition gegen das Votum der Oppositionsfraktionen abgelehnt.
Renate Künast warnte in der Debatte eindringlich davor, die Vorwürfe auf sich beruhen zu lassen. Es stehe nicht weniger auf dem Spiel als die Glaubwürdigkeit des Rechtstaates. Künast erinnerte an das „Weltrechtsprinzip“: Jedes Land könne Folter – wo auch immer sie passiert – einem Strafverfahren unterziehen. Nur weil die US-Justiz untätig bleibe, „kann das für uns nicht heißen, dass das auch für uns gilt“. Aufzuklären seien zum Beispiel Taten mit Bezug zu Deutschland – womöglich bei der Überführung von Gefangenen durch die USA über deutsches Territorium, bei der Weitergabe von Informationen über Verdächtige durch deutsche Behörden und auch dann, wenn – wie im Falle Khaled al-Masri – deutsche Staatsbürger Opfer geworden seien.
Frank Heinrich (CDU) nannte die im Senatsbericht aufgeführten „erweiterten Verhörmethoden“ eine „grobe Verharmlosung von Folter“. Wenn die westliche Welt auch in Zukunft ihre Stimme bei Menschenrechtsverletzungen erheben wolle, dann müsse man zwingend „vor der eigenen Haustüre kehren“. Die Freundschaft mit den USA dürfe nicht dazu führen, dass die eigene Glaubwürdigkeit Schaden nimmt. „Wir brauchen einen vollständigen Zugang zu diesem Bericht“, sagte Heinrich. Er verwies allerdings darauf, dass die Generalbundesanwaltschaft bei den US-Behörden auf eine Übermittlung des gesamten Berichts dränge und bereits die veröffentlichte Kurzfassung daraufhin überprüfe, ob Ermittlungen aufzunehmen sind.
André Hahn (Die Linke) erinnerte die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD daran, dass die Kontrolle der Exekutive nicht nur Aufgabe der Opposition, sondern des ganzen Parlaments sei. Mit geschwärzten Regierungsdokumenten, die womöglich Rechtsverletzungen oder gar Straftaten verdunkeln sollen, könne sich ein Parlament nicht abspeisen lassen. „Man muss kein Prophet sein, um davon auszugehen, dass die schlimmsten Verbrechen noch nicht einmal bekannt geworden sind“, sagte Hahn. Die Einsicht in den vollständigen US-Senatsbericht sei nötig, um Foltervorwürfe „umfassend aufklären und strafrechtlich verfolgen zu können“.
Politisierung Angelika Glöckner (SPD) nannte die bekannt gewordenen Folterpraktiken „grauenhaft und vollkommen inakzeptabel“. Der Senatsbericht zeige, in welchem Ausmaße sich der Sicherheitsapparat der USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 offenbar verselbständigt habe. Glöckner warnte jedoch vor einer „Politisierung und Instrumentalisierung von Menschenrechtsverletzungen“. Nur eine juristische Aufarbeitung führe zum Ziel. „Sie muss im Vordergrund stehen und nicht die politische Debatte.“ Auch wenn die Grünen in ihrem Antrag zusichern würden, „etwaige Maßgaben der USA zur Geheimhaltung zu beachten“, sei zu bezweifeln, ob eine Übermittlung des vollständigen Berichts an den Bundestag – statt an die Generalbundesanwaltschaft – zur juristischen Aufarbeitung wirklich beitragen könnte.