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Johanna Metz
»Das ist der Tod auf Raten«

Fraktionen fordern Freilassung des Bloggers Raif Badawi. Linke: Sicherheitskooperation sofort stoppen

Die Bundestagsfraktionen haben in der vergangenen Woche die sofortige Freilassung des saudi-arabischen Bloggers und Internetaktivisten Raif Badawi (31) gefordert. Anlass der Debatte waren zwei Anträge der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke (18/3835, 18/3832), über die das Plenum am Donnerstag in erster Lesung beriet.

Badawi war im Mai 2014 wegen „Beleidigung des Islams“ zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe, einer Geldstrafe und 1.000 Stockhieben – 50 Stück jeden Freitag – verurteilt worden. Nachdem die erste Einheit Anfang Januar öffentlich vollstreckt worden war, wurde die Folter wegen des schlechten Gesundheitszustandes Badawis vorerst ausgesetzt.

Die menschenrechtspolitischen Sprecher von Grünen und Linken, Tom Königs und Inge Höger, bezeichneten die Folterstrafe, wie viele Mediziner, als „einen Tod auf Raten“ und forderten eine Ende dieser „barbarischen Praxis“.

Badawi sei verurteilt worden, weil er unter anderem geschrieben habe, dass alle Menschen gleich viel wert seien, sagte Königs sichtlich aufgebracht. Das aber verbiete die „Freiheit“ in Saudi-Arabien. Neben der Presse- und Meinungsfreiheit würden dort auch Frauenrechte, politische Rechte und die Rechte von Gastarbeitern „mit Füßen getreten“, betonte der Grünen-Abgeordnete. Er kritisierte, dass Deutschland dennoch wirtschaftliche Zusammenarbeit und staatliche Wirtschaftsförderung mit Saudi-Arabien pflege, Bürgschaften gewähre und Waffenexporte erlaube. „Deutschland hofiert königliche Diktatoren“, schloss er daraus und forderte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der in Kürze mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation nach Saudi-Arabien reisen wird, auf: „Gehen Sie zu den wenigen Demokraten! Gehen Sie zu den Menschen in die Gefängnisse! Gehen Sie zu den Bloggern!“ Im „allergrößten Notfall“ sollte Deutschland Menschen wie Raif Badawi Asyl anbieten.

Ähnliche Forderungen erhoben auch die Linken. Inge Höger betonte: „Solange das Justizsystem in Saudi-Arabien nicht grundlegend geändert wird, ist es nicht akzeptabel, das saudische Unterdrückungssystem auch noch durch den Verkauf deutscher Überwachungstechnik und die Entsendung deutscher Soldaten und Polizisten zu stabilisieren.“ Von der Bundesregierung verlangte sie, die Sicherheitskooperation mit Saudi-Arabien „umgehend“ zu stoppen.

Frank Heinrich (CDU) wollte das so nicht stehen lassen. Ja, Saudi-Arabien sei mit einem Handelsvolumen von elf Milliarden Euro für Deutschland ein wichtiger Wirtschaftspartner. Dabei gehe es nicht nur um Rüstungsgüter, sondern auch um Wirtchaftsfelder wie Maschinenbau und Eisenbahnen. Zudem sei das Land ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die Dschihadisten vom „Islamischen Staat“. Aber, stellte Heinrich klar: „Gerade von einem solchen Partner muss Deutschland, müssen wir, die Achtung der Menschenrechte fordern.“

Achim Post (SPD) ergänzte, dass Saudi-Arabien in Syrien den Kampf gegen Diktator Assad unterstütze und eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten befürworte. Außerdem sei das Land einer der größten Geldgeber für die Flüchtlingshilfe. „Das sind alles Punkte, über die wir – bei aller massiven Kritik – mit Saudi-Arabien weiter im Gespräch bleiben sollten“, mahnte Post. Die Dialoge sollten daher nicht abgebaut, sondern im Gegenteil erweitert werden, „auch und gerade auf die Ebene der Zivilgesellschaft“.

Die SPD-Abgeordnete Ute Finckh-Krämer erklärte, die Bundesregierung habe im ersten Halbjahr 2014 weniger Waffen nach Saudi-Arabien geliefert als in den Jahren zuvor. Die Waffenlieferungen sollen zudem bis auf weiteres völlig gestoppt sein. „Ich hoffe, betonte Finck-Krämer, „dass sich das als wahr erweist.“ 

Aus Politik und Zeitgeschichte

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