Von Deutschland kann Österreich keine Hilfe erwarten. Jedenfalls nicht bei seiner Klage gegen die Atombeihilfe in Großbritannien. Nachdem die Europäische Kommission im vergangenen Herbst den britischen Plan gebilligt hatte, den Bau zweier neuer Reaktorblöcke in Hinkley Point massiv zu subventionieren, hatte Österreich angekündigt, diese Beihilfe vor dem Europäischen Gerichtshof auf ihre Zulässigkeit überprüfen zu lassen.
Die Oppositionsfraktionen im Bundestag, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, wollen die Bundesregierung ebenfalls auf Widerstand dagegen einschwören. In der vergangenen Woche hat das Parlament zwei entsprechende Anträge (18/4215, 18/4316) debattiert. Sie wurden zur Beratung an den federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen.
Die Bundesregierung schätzt die Klageaussichten Österreichs als wenig Erfolg versprechend ein; übrigens im Gegensatz zu Luxemburg, das Österreich beispringen will. In der Bundestagsdebatte wies die Unions-Abgeordnete Barbara Lanzinger (CSU) auf die deutsche Regierungsposition hin. Es sei in der Europäischen Union Konsens, dass die EU-Staaten selbst über ihren Energiemix entscheiden. Sie halte zwar die Subvention auch nicht für die beste Lösung, führte Lanzinger aus. Aber die erneuerbaren Energien würden ja auch subventioniert. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, meinte die CSU-Politikerin und deutete an, dass sie die weitere Ökostromförderung ebenfalls für überflüssig hält.
Die Atomkraftgegnerin Nina Scheer (SPD) mühte sich im Parlament redlich, die Regierungsposition zu rechtfertigen. Sie zog sich schließlich darauf zurück, dass die Wahl des Energiemixes eine mitgliedstaatliche Entscheidung sei. Insofern sei es problematisch, zu versuchen, die Nutzung der Atomenergie in Europa zu beenden, indem man die Entscheidung der Kommission auf dem Weg der Klage angreife. Aber, fügte sie hinzu: Es sei auch „ein mitgliedstaatliches Armutszeugnis“, weiter in die Atomenergie zu investieren und sie zu subventionieren.
Hubertus Zdebel (Die Linke) forderte, die Beihilfe dahin zu befördern, wo sie hingehöre: „in den Papierkorb.“ Denn sie sei ein „Schlag gegen die Energiewende“. Die Beihilfebewilligung durch die Kommission öffne die Tür für andere Regierungen, „die den unverantwortlichen Weg in die Atomenergie gehen wollen. Polen, Tschechien und andere Länder stehen bereits in den Startlöchern“.
Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) wertete die Genehmigung der Beihilfe für Hinkley Point als Hinweis darauf, dass die EU-Kommission mit der Energieunion einen weiteren Ausbau der Atomenergie in ganz Europa vorbereite. „Die Beihilfebewilligung ist der Einstieg in eine europäische Subventionspolitik für Atomenergie“, urteilte sie und warf der Bundesregierung vor, dies einfach hinzunehmen – „keine Klage, keine öffentliche Äußerung“.
Auch wenn die Regierungskoalition Großbritannien offenbar keinen Druck machen will, gibt es Gegenwind aus Deutschland. Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) haben eine Beschwerdekampagne gegen die britische Atombeihilfe gestartet. Sebastian Sladek, Vorstand der EWS, berichtete vor zwei Wochen von mehr als 50.000 Beschwerden, die beim Unternehmen eingegangen waren. Am 27. März zählte die Kampagne bereits 66.104 Beschwerden. Die EWS, inzwischen ein bundesweit agierendes Ökostromunternehmen, geht auf eine Bürgerinitiative zurück, die Sladeks Eltern Michael und Ursula nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl gegründet hatten.
Es gibt aber auch rechtlichen Beistand für Österreich aus Deutschland. Die Großkanzlei Becker-Büttner-Held hat ein Rechtsgutachten über die britische Atombeihilfe vorgelegt. Die Anwältin Dörte Fouquet schätzt die Rechtslage in dem von der österreichischen Regierung in Auftrag gegebenen Gutachten ganz anders ein als die deutsche Bundesregierung. „Die Argumentation Großbritanniens führt zu einer Verdrehung der Altmark-Kriterien, um einen wirtschaftlich nicht tragfähigen Fördervertrag und seine Finanzierung aus staatlichen Mitteln zu rechtfertigen“, schreibt sie. Die Altmark-Kriterien sind die Rechtsgrundlage, die es Mitgliedstaaten erlaubt, Beihilfen zu geben. Entweder muss das im gemeinsamen europäischen Interesse geschehen oder das „begünstigte Unternehmen muss mit der Erfüllung klar definierter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein“. Das sieht Fouquet aber nicht erfüllt.
Die von London versprochene Einspeisevergütung für Atomstrom geht jedenfalls deutlich über das hinaus, was deutsche Investoren in Windräder oder Solaranlagen in Anspruch nehmen können. Über die Dauer von 35 Jahren garantiert die Regierung einen Festpreis von 12,8 Cent pro Kilowattstunde Atomstrom. Dazu kommt ein Inflationsausgleich. Zudem gewährt die britische Regierung eine großzügige Kreditbürgschaft und verpflichtet alle künftigen Regierungen dazu, Schadenersatz zu leisten, wenn doch einmal eine Mehrheit für einen Atomausstieg zustande kommen sollte.
Die Regierung in London hat auf die Klage Österreichs ziemlich dünnhäutig reagiert. Im Januar machte sie der österreichischen Botschaft in London klar, dass Wien damit die „bilateralen Beziehungen“ auf eine schwere Probe gestellt habe. London drohte mit Klagen, die „starke innenpolitische Auswirkungen“ haben würden. Die Kernenergie spaltet nicht nur Atomkerne, sondern auch Europa.
Die Autorin ist Redakteurin beim Tagesspiegel in Berlin.