In der Nacht zum 23. August 1990 beschloss die frei gewählte Volkskammer den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. Stehend begrüßten die Abgeordneten um drei Uhr morgends die Entscheidung mit Applaus. © picture-alliance/dpa/Michael Jung
Nach der einzigen freien Volkskammerwahl wurden in wenigen Monaten die Weichen zur Wiedervereinigung gestellt
Am Abend des 18. März 1990 hätte sich Lothar de Maizière eigentlich freuen können. Die von ihm geführte ostdeutsche CDU hatte bei der ersten freien Wahl zur DDR-Volkskammer mit 40,6 Prozent klar gewonnen. Zusammen mit den in der "Allianz für Deutschland" vereinten Partnern Deutsche Soziale Union (DSU) und Demokratischer Aufbruch (DA) gewann sie 192 von 398 Mandaten. Doch statt zu jubeln bekam…
Aufbauarbeit auf Opas ehemaligen Gut
1990 bedeutete für mich Umbruch und Neuanfang. In Heidelberg geboren, bin ich bin ich im Allgäu aufgewachsen. Nach meiner Ausbildung zum Landwirt und ersten landwirtschaftlichen Erfahrungen in Norddeutschland, Schottland und England übernahm ich 1986 den bis dahin stillgelegten Landwirtschaftsbetrieb meiner Familie. Das Wendejahr 1989/90 hatte auch bei uns in Süddeutschland unmittelbare…
Die industrielle Wertschöpfung in den neuen Ländern nahm in den vergangenen 25 Jahren deutlich zu
Die ostdeutsche Wirtschaftskraft im Jahr 25 der deutschen Einheit kann man auf zweierlei Weise betrachten. Vom westdeutschen Niveau aus blickt man immer noch nach unten. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt lediglich rund zwei Drittel des westlichen und hat sich in den letzten zehn Jahren nur noch geringfügig angenähert. Aus ungarischer oder tschechischer Sicht dagegen ist die einstige…
Der Linken-Politiker äußerte früh Skepsis zur schnellen Währungsunion
Die "Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik", deren Geschäftsführer ich zu Zeiten der Wende war, äußerte sich schon im April 1990 sehr skeptisch, was die Pläne zur Währungsunion anging. Wir befürchteten den Zusammenbruch der DDR-Ökonomie, weil sie durch die Währungsumstellung schlagartig flächendeckend nicht mehr konkurrenzfähig war. Damals gab es durchaus Alternativen. Nicht zur…
Seit dem Jahr 1989 haben fast zwei Millionen Ostdeutsche ihre Heimat verlassen. Aber mittlerweile hat der Schrumpfungsprozess auch Regionen im Westen der Republik erfasst
Schwedt war 1989 eine junge und wachsende Stadt. Der Altersdurchschnitt lag unter 30 Jahren. Bei der PCK-Raffinerie und einer großen Papierfabrik gab es Jobs, viele Neubauten bestimmten das Stadtbild. Dann kam die Wiedervereinigung und die Stadt begann zu schrumpfen. Junge Leute zogen fort, Tausende Wohnungen standen leer. Schwedt wurde zum Muster für den Stadtrückbau im Osten. Mehr als 6.000…
Konzepte für eine sterbende Region musste der Stadtentwickler in Rostock nicht erarbeiten
Ich werde niemals den Tag des Mauerfalls vergessen: Den habe ich nämlich vor Ort in Berlin erlebt. Damals nahm ich als Student der Stadt- und Regionalplanung aus Dortmund an einem Studienprojekt in West-Berlin teil und zufällig waren wir am 9. November 1989 gerade in der Stadt. Diese Emotionen werde ich nie mehr vergessen. Ganz schnell nach der Wende bin ich dann nach Rostock gegangen.…
Trotz gewaltiger Transfers bleibt Solidarität gefragt
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht sich selbst gerne als "verkappter Ossi" verstanden, die Interessen der neuen Bundesländer immer mit im Blick. Dort sind davon allerdings derzeit nicht alle überzeugt. Bei den ostdeutschen Ministerpräsidenten hat der verkappte Ossi mit seinen Ideen für die Zeit nach dem Solidarpakt wenig Begeisterung ausgelöst. "Ein Reformvorschlag, der im…
Die Christdemokratin kam als Finanzbeamtin in den Osten
Ob es heute noch Unterschiede zwischen Ost und West gibt? Ich muss zugeben: In den 24 Jahren, in denen ich inzwischen in Thüringen lebe, weiß ich eigentlich gar nicht mehr, ob die Menschen in meiner alten Heimat Neuss wirklich so anders ticken als in Erfurt. Für meine 18-jährige Tochter, die in Thüringen geboren ist, spielt das Thema gar keine Rolle mehr. Dass nach all der Zeit noch immer…
Seit 2005 ist die Arbeitslosigkeit im Osten deutlich gesunken. Doch es gibt zu wenig gut bezahlte Arbeit
Sommer 1990: Während sich Ende Juni die Regale in den Geschäften immer mehr lehrten, um Platz für "Westprodukte" zu machen, während die Menschen vor den Banken Schlange standen, um die neue Währung, die D-Mark, abzuholen, bekam das Bild von den blühenden Landschaften im Osten Deutschlands erste Kratzer. "Wir sind keine Konkursmasse", stand plötzlich auf Transparenten von streikenden…
1990 erlebte der heutige Linke die Deindustrialisierung des Ostens hautnah mit
Wie das damals lief mit der Deindustrialisierung des Ostens habe ich am eigenen Leib erfahren. Ich arbeitete damals in Leipzig in einer Gießerei, bei der ich zuvor auch schon meine Berufsausbildung mit Abitur von 1986 bis 1989 gemacht hatte. Das war ein hochmoderner Betrieb, der Kurbel- und Nockenwellen für VW produziert hat. Die wurden im Polo und im Golf II eingebaut. Da wurde also kein…
In 25 Jahren hat es in der Ausländerpolitik Erfolge und Rückschläge gegeben
Das Jahr 1989 war kein gutes für das Einwanderungsland Deutschland. Der berühmte Satz Willy Brandts (SPD), dass jetzt zusammenwachse, was zusammengehört, meinte die Deutschen im engeren Sinne. Dass in Deutschland schon damals eine nicht unbeträchtliche Zahl Nichtdeutsche wohnten, war in diesem Satz gar nicht mitgedacht. Die "Nationalisierungswelle", die der Euphorie des Mauerfalls folgte, war…
Die Islamwissenschaftlerin aus Greifswald diskutierte schon als Jugendliche über den Wert der Demokratie
Ich bin 1984 in Greifswald geboren und in Ostberlin großgeworden. Im Osten aufgewachsen zu sein, hatte großen Einfluss auf meine politische Sozialisation. Als ich noch Schülerin war, gab es heftige politische Auseinandersetzungen unter den Jugendlichen und immer wieder die Frage: Bist du Zecke oder Nazi? Das hört sich erstmal platt an, man muss es aber im Kontext einer jüngst überwundenen…
Trotz Wahlmüdigkeit und Parteienerosion: Politik bedeutet, den Bürger zu achten und beachten
Schwarz-Rot-Gold: Die deutschen Farben zeigen sich in schöner Abfolge in der Geschichte der Bundesrepublik. Auf das Schwarz der Adenauer-Zeit folgte das Brandt- und Böll-Rot, darauf das Gold der Wiedervereinigung. Zusammengehalten werden die drei Streifen vom Grundgesetz. Es war die Bauordnung der jungen Bundesrepublik, wurde zur Hausordnung der deutschen Demokratie und ist nun die Verfassung…
Der Sozialdemokrat wünscht sich mehr Interesse für ostdeutsche Lebenserfahrungen
Als ich als frisch ausgebildeter Jurist Anfang der 1990er Jahre unbedingt in den Osten wollte, hat mein Umfeld diesen Wunsch eher ratlos kommentiert: Eigentlich wusste keiner, warum ich das machen sollte. Mein damaliger Chef, der mir das Angebot gemacht hatte, nach dem Referendariat bei ihm anzufangen, dachte lange, das wäre meine Taktik, ein noch besseres Angebot rauszuholen und war dann…
Wie der Streit um das Erbe der DDR-Geheimpolizei die Debatte um die Diktatur beeinflusste
Es kommt nicht allzu oft vor, dass eine kleine Schar von Hausbesetzern Geschichte schreibt. Doch vor einem Vierteljahrhundert ist genau das geschehen. Am späten Vormittag des 4. September 1990 stürmten knapp zwei Dutzend Bürgerrechtler ein Gebäude im ehemaligen Stasi-Hauptquartier in der Ost-Berliner Normannenstraße. Um nicht gleich von alarmierten Wachleuten festgenommen zu werden,…
Die SPD-Politikerin wurde von der Stasi verfolgt und verließ am 3. Oktober 1982 die DDR
Der 3. Oktober ist für mich ein ganz besonderer Tag. Nicht nur, weil vor 25 Jahren die Wiedervereinigung gesetzlich festgeschrieben wurde. Nein, auch weil ich am 3. Oktober 1982 die DDR verlassen habe. Als mein damaliger Mann und ich uns mit unseren Kindern und der Katze im Transportkarton am Bahnhof Friedrichstraße von den Ost-Freunden verabschiedet haben und gleich darauf von den…
Wenn es um die Einstellungen zu Kinderbetreuung, Ehe und Erwerbstätigkeit von Müttern geht, ist Deutschland noch immer geteilt
Katja Falk aus Leipzig und Simone Kanz aus Stuttgart (beide Namen geändert) haben einander nie gesehen. Sie haben aber eine ziemlich klare Meinung übereinander. Sie könne nicht verstehen, sagt Kanz, wieso die Ostdeutsche zwei kleine Kinder habe und trotzdem 35 Stunden pro Woche arbeite. "Dann sind die ja beide den ganzen Tag in Fremdbetreuung. Dafür muss man doch keine Kinder bekommen."…
Die SPD-Abgeordnete sieht in der Betreuungssituation von Kindern den letzten großen Unterschied zwischen Ost und West
Eigentlich hatte ich nur einen schönen Sommer an der Ostsee geplant, als ich 1995 nach Brandenburg ging. Ich bin in der Eifel geboren, habe in Köln Jura studiert und wurde dann von meiner Kanzlei "verschickt", um Umschüler in Sachen öffentliche Verwaltung auszubilden. Damals hatte ich erst ein Kind, da erschien es mir ganz unproblematisch, meine Sachen zu packen und mich auf ein paar Monate…
Das vereinte Deutschland reagierte auf Krisen und Kriege in der Welt zunächst nur zögerlich
Es war im November 2011, als ein ungewöhnlicher Appell aufhorchen ließ. "Deutsche Macht fürchte ich heute weniger als deutsche Untätigkeit", erklärte damals der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski in Berlin und forderte die Deutschen als wichtigste europäische Wirtschaftsmacht und Europas "unverzichtbare Nation" auf, Reformen in der EU voranzutreiben: "Sie dürfen nicht versagen zu…
Der gebürtige Siegener und heutige CDU-Abgeordnete zog 1997 als Offizier der Heilsarmee nach Chemnitz
1997 bin ich nach Chemnitz gekommen. Vorher habe ich mit meiner Familie in Freiburg gelebt. Der Umzug war nicht unsere Entscheidung: Als Offiziere der Heilsarmee wurden meine Frau und ich mit einem Dienstauftrag nach Sachsen geschickt. Ganz ehrlich: Am Anfang hat die Stadt uns nicht verzückt. Wenn Sie damals die Zentralhaltestelle am Abend und bei Regen gesehen haben, war das kein Ort, an dem…
Die Truppe galt als Schrittmacher der Einheit. Heute bezeichnen sie Kritiker als Armee einer ostdeutschen Unterschicht
Die Bilder bleiben unvergessen: Im Sommer 1997 schuften bis zu 30.000 Soldaten der Bundeswehr zusammen mit unzähligen zivilen Helfern entlang der Oder, um ein Brechen der vom Jahrhunderthochwasser bedrohten Deiche zu verhindern. Der gemeinsame Einsatz von Soldaten aus Ost und West wurde zum Sinnbild der "Armee der Einheit" und weckte bei vielen Deutschen vielleicht erstmals ein tieferes…
Berichte aus Frankreich, Polen und den Niederlanden
"Ich liebe Deutschland so sehr, dass ich froh bin, dass es zwei davon gibt." Der Satz, der dem Schriftsteller François Mauriac zugeschrieben wird, trifft die Haltung vieler Franzosen nach 1945. Als im November 1989 die Mauer fiel, hielt sich die Begeisterung im Nachbarland jedoch in Grenzen. In einer am 3. Oktober 1990 veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos gaben nur…
Polen
Polens Blick auf seinen westlichen Nachbarn ist ein doppelter: Beim Wort "Deutschland" denken die Polen an "Mercedes", Wohlstand und Technik, und zugleich an "Auschwitz" - an das KZ-System, das die Deutschen nicht nur aufgebaut, sondern auch nach Polen exportiert haben. Vor 1989 hatten viele Polen den Eindruck, das attraktive Westdeutschland sei das "echte Deutschland", der SED-Staat dagegen…
Niederlanden
Am 21. Juni 1988 geht vom gewonnenen EM-Halbfinale der Niederlande gegen Westdeutschland vor allem ein Bild um die Welt. Torschütze Ronald Koeman wischt sich mit deutschen Nationaltrikot den Hintern ab. Ein Scherz? Vielleicht. Tatsächlich haben in den späten 1980er Jahren wie Koeman viele Niederländer eine besonders schlechte Meinung von ihren deutschen Nachbarn. Selbst junge Menschen, die…
Aus Sicht des CDU-Politikers verlief das Miteinander zwischen ehemaligen NVA-Soldaten und alten Bundeswehrkräften nach der Wiedervereinigung problemlos
Meine zwölf Jahre als Zeitsoldat bei den Feldjägern waren 1983 vorbei. Insofern habe ich den Übergang von Teilen der NVA in die Bundeswehr nur noch als Reserveoffizier miterlebt, aber doch intensiv beobachtet und mich später als Abgeordneter und Mitglied im Verteidigungsausschuss auch immer wieder mit dem Thema beschäftigt. Man muss klar sagen: Hier wurden nicht zwei Armeen fusioniert. Die…
Die Deindustrialisierung in Ostdeutschland war für die Natur ein Segen. Aber einige Altlasten bleiben noch lange
Das Dreieck zwischen Bitterfeld, Leipzig und Halle gehörte vor 1990 zu den schmutzigsten Regionen Europas. Hier ballte sich die Chemie-Industrie der DDR, Kraftwerke verbrannten schwefelhaltige Braunkohle zur Stromerzeugung, und der Abbau der Kohle im Tagebau hinterließ tote Mondlandschaften. Das hatte auch Folgen für die Menschen: So hatten Kinder in Bitterfeld drei Mal so häufig mit…
Artenreichtum auf früherem Todesstreifen
Die jahrzehntelange Teilung Deutschlands hat am ehemaligen Grenzstreifen einen einzigartigen Naturraum entstehen lassen. Weitgehend ungestört von menschlichen Aktivitäten, wurden auf dem streng abgeriegelten und überwachten, aber brachliegenden Gelände zahlreiche Tier- und Pflanzenarten heimisch. Schon Mitte der 1970er Jahre, also lange vor der politischen Wende 1989, erkannten…
Der Gewerkschafter aus dem Ruhrgebiet erlebte in der Lausitz eine Braunkohleregion im Umbruch
Als ich am 17. April 1990 nach Leipzig kam, erinnerten mich Stadtteile an westdeutsche Städte direkt nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele Gebäude waren in einem schrecklichen Zustand. Gewöhnungsbedürftig war auch das Wohnumfeld in Leipzig-Grünau. Damals kam ich als Gewerkschafter der IG Bergbau und Energie aus dem Ruhrgebiet, geboren bin ich im nordrhein-westfälischen Drevenack. Heute ist die…
Der Wechsel des Bundestages von Bonn nach Berlin hat den Arbeitsalltag im Parlaments- und -Regierungsviertel nicht wirklich verändert
Norbert Blüm, Arbeitsminister unter Kanzler Helmut Kohl, war einer der prominentesten Gegner des Regierungsumzugs nach Berlin. Als er am 20. Juni 1991 in der zwölfstündigen Debatte des Bundestages seine Argumente für einen Verbleib der Regierung in Bonn vorbrachte und für eine Aufteilung der Funktionen zwischen beiden Städten warb, sagte er, der "Nationalstaat, den wir uns wünschen", sei…
Durch den Umzug des Parlaments nach Berlin ist die Politik näher dran an den Fragen der Wiedervereinigung
Ich bin in Halle (Saale) geboren, habe aber die sowjetische Besatzungszone schon verlassen, bevor die DDR gegründet wurde. Deshalb habe ich keine Erinnerungen an den Staat, die über ein paar Besuchseindrücke von Schulreisen nach Berlin, auch nach Ost-Berlin, hinausgehen würden. Woran ich mich aber sehr gut erinnere, sind die Flüchtlingskinder, die ich als Jugendlicher in Westdeutschland…
Die Bundesstadt lebt bisher gut mit ihrer neuen Rolle
Die große Angst vor Berlin, vor der Zentralisierung der Regierung und dem endgültigen Wegzug der gesamten Regierungsverwaltung an die Spree - all das wird gerade im kleinen Bonn geprobt. Dort hat die Stadtverwaltung vor kurzem beschlossen, die meisten Bürgerämter in verschiedenen Stadtteilen Bonns zu schließen und alles im zentralen Bürgeramt im Stadthaus Bonns zu konzentrieren. In Zeiten…