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BAUEN : »7,50 Euro nettokalt für einen Quadratmeter Neubau sind zu viel«

Experten fordern schnellstmöglich den Bau neuer und preiswerter Wohnungen. Vom Bund erwarten sie mehr Engagement und die Aufweichung deutscher Baustandards

28.09.2015
2023-08-30T12:28:09.7200Z
3 Min

Wohnungen, erst recht bezahlbare, sind in in vielen deutschen Städten ein knappes Gut. Experten haben daher in der vergangenen Woche in einer öffentlichen Sitzung des Umwelt- und Bauausschusses zum Bau hunderttausender neuer und preiswerter Wohnungen aufgerufen und hierbei ein größeres Engagement des Bundes gefordert. Für Studenten und einkommensschwache Haushalte sei der Mangel an bezahlbaren Wohnungen ein großes Problem, urteilten die vier Sachverständigen. Aber auch die große Zahl von Flüchtlingen, von denen ein Großteil wohl dauerhaft in Deutschland bleiben werde, erhöhe die Dringlichkeit, den Wohnungsbau massiv voranzutreiben. Damit die Integration der Ankommenden gelingen könne, müssten zudem mehr gemischter Stadtquartiere, die unterschiedliche Wohnungstypen für verschiedene Einkommengruppen und Bedürfnisse vereinen, geschaffen werden.

Axel Gedaschko von der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) sprach von einem angestauten Defizit von allein 770.000 Wohnungen in Deutschland. Zukünftig müssten daher jährlich mindestens 140.000 Mietwohnungen zu bezahlbaren Mieten zusätzlich zum bisherigen Neubau errichtet werden. Um diese "Kraftanstrengung" bewältigen zu können, müsse der Bund sich Kompetenzen, die er an die Länder abgegeben habe, wieder zurückholen. Außerdem müsse der Gesetzgeber das Bauplanungsrecht "so schnell wie möglich" ändern, um die bislang viel zu langwierige Realisierung von Bauvorhaben zu beschleunigen, urteilte Gedaschko. Geltende Standards, etwa im Hinblick auf Immissions-, Natur- und Denkmalschutz, sollten abgesenkt werden, auch um die hohen Baukosten in Deutschland zu senken.

Steffen Bockhahn, Sozialsenator der Hansestadt Rostock, rechnete vor, was ein Neubau heute kostet: "7,50 Euro netto kalt für den Quadratmeter ist das günstigste, was wir derzeit hinbekommen." Die daraus resultierenden Mieten seien für einkommensschwache Haushalte nicht finanzierbar. Als Lösung schlug Bockhahn vor, Neubauten künftig mit verlorenen Zuschüssen des Bundes zu realisieren, "um stabile Mietniveaus sicherzustellen". Verlorene Zuschüsse müssen nicht zurückgezahlt werden, sind also eine Form der Subvention. Den Bundesländern warf der Senator vor, die Kompensationsmittel des Bundes für den sozialen Wohnungsbau in Höhe von bislang 518 Millionen Euro jährlich, in der Vergangenheit häufig nicht an die Kommunen weitergereicht zu haben.

Martin Haag, Bürgermeister für Stadtentwicklung und Bauen der Stadt Freiburg im Breisgau, verwies überdies auf den massiven Mangel an bebaubaren Flächen in Deutschland. Um an Bauland zu gelangen, sollte der Bund auch den Zugriff auf private Grundstücke möglichen, forderte er. Als Abgeordnete daraufhin auf den im Grundgesetz verbürgten Schutz des Eigentums verwiesen, erwiderte Haag, im Grundgesetz sei nicht nur der Schutz des Eigentums verbrieft, sondern auch dessen Sozialbindung.

Achim Meyer auf der Heyde vom Deutschen Studentenwerk richtete sein Augenmerk besonders auf die Lage der insgesamt 2,7 Millionen Studierenden in Deutschland. Die Zahl der Studienanfänger habe sich von 2008 bis heute verdoppelt, die Zahl der Studenten insgesamt sei um 39 Prozent gestiegen, erklärte er. Demgegenüber habe sich Zahl der staatlich geförderten Wohnheimplätze im gleichen Zeitraum nur um fünf Prozent erhöht. "Rund 27 Prozent der Studenten verfügen lediglich über Einnahmen unter dem aktuellen BAföG-Höchstsatz von 670 Euro monatlich", gab auf der Heyde zu bedenken. Die Budgets ausländischer Studenten seien oft noch niedriger. "Wir müssen deshalb bundesweit mindestens 25.000 Wohnheimplätze zusätzlich schaffen", forderte er.

Das Bundesbauministerium will den Bau neuer Studentenwohnungen jetzt mit mehr als 120 Millionen Euro unterstützen und geht dabei neue Wege: Errichtet werden sollen flexible Wohnmodule, die sich leicht zu Wohngemeinschaften und Gebäuden zusammenfügen lassen. Die Warmmiete soll 260 Euro nicht übersteigen. Studentenwerks-Vertreter auf der Heyde begrüßte das, urteilte aber: "Das kann nur ein Anfang sein."

Einen wichtigen Erfolg konnte Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) in der vergangenen Woche beim Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt verbuchen: Bund und Länder gaben dort der von ihr geforderten Aufstockung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau um 500 Millionen Euro grünes Licht.