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E-HEALTH-GESETZ : Fluch und Segen der Digitalisierung

Experten plädieren für den Eintritt in eine neue Gesundheitswelt

09.11.2015
2023-08-30T12:28:11.7200Z
3 Min

Die Befürworter schwärmen von den neuen Möglichkeiten des Datentransfers, Kritiker warnen vor dem gläsernen Patienten. Die Debatte über die digitale Vernetzung des Gesundheitswesens wird sehr grundsätzlich geführt. In einer Anhörung des Gesundheitsausschusses vergangene Woche im Bundestag machten Gesundheits- und Sozialexperten sowie IT-Fachleute aber deutlich, dass aus ihrer Sicht der Übertritt in die digitale Gesundheitswelt mehr Vor-als Nachteile birgt und der sogenannte E-Health-Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/5293) in die richtige Richtung weist. Gestritten wird jedoch über die zeitlichen Abläufe, die Datenorganisation, die Zuständigkeiten und die Kosten für die moderne Telematikinfrastruktur.

Die Sicherheit der vertraulichen Patientendaten spielt eine zentrale Rolle in der Debatte. Dem Gesetzentwurf zufolge sollen die Akteure im Gesundheitswesen künftig besser miteinander vernetzt werden und Patientendaten schnell abrufbar sein. Damit sollen auch in Notfällen sichere und effektive Therapien möglich werden.

Der Gesetzentwurf enthält Vorgaben, Fristen, Anreize für Ärzte und Sanktionen. Es geht konkret um die elektronische Verwaltung von Versichertenstammdaten und Notfalldaten, perspektivisch auch um Medikationpläne und ganze elektronische Patientenakten. Ab 2018 sollen laut Gesetzentwurf die Notfalldaten, beispielsweise zu Allergien oder Vorerkrankungen, auf der elektronischen Gesundheitskarte (e-GK) gespeichert werden können, falls der Patient das wünscht.

Ebenfalls digitalisiert werden soll die Kommunikation zwischen Ärzten sowie zwischen Medizinern und Krankenhäusern. Auch die Einbindung von Pflegefachkräften oder Hebammen in das elektronische Kommunikationssystem der Zukunft wird erwogen.

Die Sachverständigen lobten in ihren Stellungnahmen die ,,Dynamik", die aufgrund der Fristen und Sanktionen von dem Gesetzentwurf ausgehe und verwiesen auf die langjährigen Vorarbeiten, die kostspielig, aber wenig ertragreich gewesen seien. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) warnte aber davor, in der Telematik ,,Parallelstrukturen" zu fördern, statt erst ein einheitliches Netz zur Datenübertragung zu schaffen. Der Fachverband Bitkom verwies in dem Zusammenhang darauf, dass mit dem KV-Safenet, dem Hausärztenetz, dem Mediverbund und dem von der Firma gevko entwickelten Kassennetz schon Parallelstrukturen bestünden.

Nach Angaben der GKV haben die Krankenkassen bisher als alleinige Kostenträger in der Gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte) bis zu eine Milliarde Euro in das Digitalprojekt samt der e-GK investiert. Die finanzielle Belastung der Beitragszahler sei nur zu rechtfertigen, wenn es endlich gelinge, die Telematikinfrastruktur zu errichten.

Der Sozialverband VdK gab zu Bedenken, dass die neuen Technologien gerade für ältere und chronisch kranke Menschen eine Verbesserung der Lebensqualität bringen könnten und sprach sich dafür aus, die elektronische Patientenakte verbindlich einzuführen, zumal dies in vielen europäischen Ländern bereits Standard sei.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) warnte davor, die digitale Entwicklung politisch zu verschlafen. Im Gesundheitswesen zeichne sich ,,eine Welt der zwei Geschwindigkeiten" ab. Angesichts der 400.000 Gesundheits-Apps und der Bereitwilligkeit von Menschen, auch sensible persönliche Daten im Internet auszutauschen, könnten der geschützte Datenaustausch und die Telematikinfrastruktur ins Hintertreffen geraten.

Das Bündnis ,,Stoppt die e-Card" stellte die Digitalreform infrage. Die bessere Alternative zum Notfalldatensatz auf der e-GK sei der Europäische Notfallausweis (ENA), der auch im Ausland eingesetzt werden könne. Eine Sprecherin verglich das Digitalprojekt in der Anhörung mit einem Flugzeug, ,,das ohne Kurs und Landebahn" gestartet wird.

Sachverständige betonten, dass es bei dem Projekt zentral auf die Einbindung der Versicherten ankomme, die entscheiden müssten, wem sie welche Daten anvertrauen. Ein Experte merkte an, die Digitalisierung sei einer der Haupttreiber für den medizinischen Fortschritt. Es würden aber feste Regeln benötigt, um aus dem Segen keinen Fluch werden zu lassen.