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Wirtschaft
Franz Ludwig Averdunk
Bauen mit Sozialaspekt

Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge geht es nicht mehr länger nur um den Preis

Zwingend nur noch elektronisch soll es künftig bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zugehen - ob Bekanntmachung, ob Vergabeunterlagen, ob Angebotsabgabe oder Vorbereitung des Zuschlags. Und egal, ob es sich um ein Bauprojekt, eine Dienstleistung oder eine Lieferung handelt. Diese Neuerung geriet nicht zum Reizstoff im Meinungsstreit, als es im Bundestag um die Modernisierung des Vergaberechts ging. Für den Gesetzentwurf insgesamt galt dies aber keineswegs.

Ausgewogen Die Bundesregierung ihrerseits stufte bei der Debatte die geplante Neuordnung des Vergaberechts als "ausgewogen und nachhaltig" ein. Klare und eindeutige Regelungen seien notwendig, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Uwe Beckmeyer (SPD): "Diese Regeln haben wir", hielt er der harschen Kritik der Opposition entgegen. Er sprach von einer "Reform, die wegweisend ist". Der Ablauf der Verfahren werde "klarer und deutlicher". Bei der Vergabe würden "soziale, ökologische und innovative Aspekte" künftig stärker berücksichtigt.

Marcus Held (SPD) strich als "absolutes Novum" heraus, dass Kriterien wie Soziales und Umwelt nun besondere Berücksichtigung finden sollen. Gestärkt werde eine "nachhaltige Beschaffung", die Kinderarbeit werde bekämpft. Held verwies auf die zahlreichen Details, die es zu regeln gelte. Dies solle in einer Verordnung geschehen, wobei das Parlament den Vorbehalt mache, sich auch mit der Verordnung noch selbst zu beschäftigen. Speziell ging er darauf ein, dass beim Wechsel eines Dienstleisters etwa im Eisenbahnverkehr, "das Personal für die Strecke auch übernommen wird". Aus der Kann-Regelung, wie sie die Bundesregierung vorgesehen habe, werde dank Bundesrat und SPD-Fraktion nun eine Soll-Vorgabe.

Michael Schlecht (Die Linke) griff dies auf: Aus dem "Könnte" sei "bestenfalls ein Sollte" geworden. Dabei seien "zwingende Regelungen" nötig. Insgesamt bewertete er den Gesetzentwurf als "vollkommen ungenügend". Er vermisse eine "gezielte Steuerung sozialer Ziele". Auftragnehmer dürfe nur werden, wer sich der Tarifbindung nicht entziehe. Solche Regelungen wären nach seiner Einschätzung "möglich gewesen". Ob in Zukunft bei Vergaben mehr nach sozialen oder ökologischen Kriterien vorgegangen werde, sei "dem Willen oder Unwillen der Entscheidungsträger vor Ort" überlassen. Für das Verhalten von Subunternehmern seien "keine hinreichenden Kontrollen" vorgesehen. Für die Gleichstellung von Frauen und Männern würden "keine Anreize" geboten.

Herlind Gundelach (CDU) lobte den Gesetzentwurf als "wichtigen Schritt zu mehr Transparenz". Auch zu "weniger Bürokratie und mehr Anwenderfreundlichkeit", wenngleich sie für diese beiden Bereiche einräumte: "Da geht sicher noch etwas mehr" - vielleicht bei der nächsten Novellierung. Der Gesetzentwurf sehe eine Überprüfung der Regelungen nach drei Jahren vor. Sie hob auf die unterschiedlichen Vergabegesetze der Bundesländer ab und gab der Hoffnung Ausdruck, dass es "irgendwann nur noch ein Gesetz" gibt. Unternehmen, die sich elektronisch um Aufträge bemühten, müssten dann nicht mehr "16 verschiedene Masken und Softwarelösungen" berücksichtigen.

Katharina Dröge (Grüne) befand, mit der Neuordnung des Vergaberechts sei eine "wirklich große Chance" verbunden gewesen. Und verwies auf die Ziele "Umweltschutz, Nachhaltigkeit und auf Qualität setzen". Doch die Koalition habe die Chance "wider besseren Wissens nicht genutzt". In Sonderheit ging sie auf soziale Dienstleistungen ein, bei denen es auf die Qualität der Betreuung und die Kompetenz des Personals ankomme. Es sei mithin richtig, "weniger auf den Preis zu setzen". Angesicht der Milliarden-Summen, um die es gehe, und angesichts der von der EU eröffneten Chancen sei der Gesetzentwurf "unzureichend und lückenhaft", zudem "mutlos".

Nach der Debatte wurde mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen die Oppositionsfraktionen der Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts (18/6281) in der Fassung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (18/7086, 18/7087) beschlossen. Zuvor war ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke (18/7089) gegen die Stimmen der drei übrigen Fraktionen abgelehnt worden. Das nämliche Abstimmungsergebnis gab es bei einem Entschließungsantrag der Linken-Fraktion (18/7090). Drei Entschließungsanträge von Bündnis 90/Die Grünen (18/7090, 18/7091 und 18/7092) scheiterten an der Koalition.

Im Ausschuss für Wirtschaft und Energie hatten die Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Änderungsantrag durchgesetzt, der besonders den Personalübergang nach der Vergabe von Strecken im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) betrifft. Hieß es ursprünglich, dass das Eisenbahnpersonal beim Wechsel eines Streckenbetreibers übernommen werden kann, so soll das Personal jetzt unter bestimmten Bedingungen übernommen werden. Betroffen sind aber nur Arbeitnehmer, "die unmittelbar für die Erbringung der übergehenden Verkehrsleistung erforderlich sind".

Mittelstandsfreundlich Ziel der Modernisierung ist es, die Verfahren effizienter, einfacher und flexibler zu gestalten und die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen an Vergabeverfahren zu erleichtern. Öffentliche Auftraggeber sollen zukünftig mehr Möglichkeiten bekommen, soziale, umweltbezogene und innovative Vorgaben zu machen. Mit Blick auf die Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Waren oder die Berücksichtigung der Belange von Behinderten bei der Definition der Leistung sollen von den öffentlichen Auftraggebern sogar zwingende Vorgaben gemacht werden.

Unternehmen, die öffentliche Aufträge ausführen, müssen nach den Vorschriften des Entwurfs die geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen einhalten. Dies gelte besonders für die Regelungen in für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen und den Mindestlohn. Wer bei der Ausführung öffentlicher Aufträge gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstößt, kann von Vergaben ausgeschlossen werden.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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