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edathy-affäre : Ein Fax sorgt für Aufruhr

Eklat im Ausschuss: Zeuge Hartmann verweigert die Aussage. Abgeordnete empört

09.02.2015
2023-11-08T12:40:19.3600Z
4 Min

Die Vernehmung des Rechtsanwalts von Sebastian Edathy ging ihrem Ende entgegen, als auf der Besuchertribüne des Saals im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus ein Mann aufstand und hinausging. Kurz danach traf ein Fax im Büro des 2. Untersuchungsausschusses ein, in dem der Anwalt des SPD-Abgeordneten Michael Hartmann verkündete, sein Mandant, der als nächster gehört werden sollte, werde von seinem Recht auf Auskunftsverweigerung Gebrauch machen. Grund sei die Eröffnung eines Strafverfahrens wegen „Strafvereitelung zugunsten des Angeklagten Sebastian Edathy“. Hartmann soll seinen früheren Fraktionskollege Edathy vor den Kinderporno-Ermittlungen gegen ihn gewarnt haben.

Schwere Vorwürfe  Der Anwalt begründet Hartmanns Entscheidung aber auch damit, dass „tragende Mitglieder dieses Ausschusses“ an der Sachaufklärung und Wahrheitsfindung „gänzlich uninteressiert“ seien. „Aus erkennbar politischen Motiven wird der Mandant als Lügner gebrandmarkt“, heißt es in dem Fax, das im Ausschuss die Runde machte. Mit Edathys Anwalt Christian Noll hatte zu diesem Zeitpunkt vergangener Woche ein weiterer Zeuge Anhaltspunkte dafür geliefert, dass von den beiden Zeugen, die am 18. Dezember einander widersprechende Aussagen gemacht hatten, Edathy näher an der Wahrheit liegen könnte als Hartmann. Bereits eine Woche zuvor hatten mehrere Zeugen aus Edathys beruflichem und privatem Umfeld ausgesagt, vieles von dem, was Edathy vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt hatte, habe er ihnen schon Ende 2013 mitgeteilt. Dies passte schlecht zu Hartmanns Anschuldigung, Edathy habe sich das alles nachträglich ausgedacht.

Noll sagte nun aus, Edathy habe ihm bei der ersten Begegnung am 27. November 2013 mitgeteilt, er habe vor Jahren bei einer kanadischen Firma, die mittlerweile Gegenstand von Kinderporno-Ermittlungen sei, Filme bestellt. Dabei habe es sich um „rechtlich nicht zu beanstandendes“ Material gehandelt. Hartmann habe ihn aber informiert, dass das Bundeskriminalamt (BKA) eine Akte über ihn angelegt habe. Weiterhin habe Edathy ihm berichtet, dass Hartmann diese Informationen aus der BKA-Spitze erhalten habe. Ihm zufolge wisse eine „ganze Reihe von Personen“ Bescheid, darunter führende SPD-Politiker. Schon länger ist aus dem Akten bekannt, dass Noll, nachdem er das Mandat von Edathy erhalten hatte, Erkundigungen bei Ermittlungsbehörden in Niedersachsen und Berlin anstellte. Dies war auch schon Thema im Innenausschusses im ersten Halbjahr 2014 sowie danach im Untersuchungsausschuss, wobei zeitliche Zusammenhänge zwischen einzelnen Anfragen und Daten, zu denen das BKA bestimmte Informationen erhalten hatte, aufgefallen waren. Dass es hier auch einen sachlichen Zusammenhang gibt, dafür lieferte Noll nun vor dem Ausschuss allerdings keine Bestätigung.

Die Akte  Verwundert zeigte sich Noll darüber, dass die Staatsanwaltschaft Hannover noch im Dezember 2013 jede Kenntnis eines Vorgangs Edathy geleugnet habe, obwohl sie, wie inzwischen klar ist, bereits seit dem 5. November im Besitz der Akte war. Am 20. Dezember habe dann der zuständige Oberstaatsanwalt Thomas Klinge die Existenz einer Akte Edathy eingeräumt. Sie hätten dann ein Treffen am 22. Januar 2014 in Hannover vereinbart, sagte Noll. Bei diesem Termin sei Klinge zurückgerudert und habe erklärt, er kenne die Akte nicht. Das Treffen sei „ein Schauspiel erster Güte“ gewesen. Noll begründete die Versuche der Kontaktaufnahme mit Ermittlungsbehörden damit, dass Edathy eine Bearbeitung der Vorwürfe ohne öffentliches Aufsehen angestrebt und den Ermittlern eine umfangreiche Kooperation angeboten habe. Diese seien aber darauf nicht eingegangen. Am 29. oder 30. Januar 2014 habe er dann eine SMS von Edathy erhalten, der zufolge Hartmann von BKA-Chef Jörg Ziercke den Hinweis erhalten habe, dass es nun ernst werde. Am 28. Januar hatte die Staatsanwaltschaft Hannover offiziell ein Verfahren gegen Edathy registriert. Wenig später habe sich Sebastian Edathy zum Mandatsverzicht entschieden in der Hoffnung, öffentliches Aufsehen zu vermeiden. Am

6. Februar unterzeichnete er vor dem Notar die Rücktrittserklärung, am 10. Februar begannen die Durchsuchungen seiner Wohn- und Geschäftsräume.

Hartmann schweigt  Nach Nolls Vernehmung beschloss der Ausschuss, Hartmann müsse erscheinen. Als dieser zwar kam, sich jedoch weigerte, die Fragen zu beantworten, teilte ihm die Ausschussvorsitzende Eva Högl (SPD) mit, dass seine Aussage nach Ablauf der vorgeschriebenen zweiwöchigen Frist für abgeschlossen erklärt werde. Er habe dann keine Möglichkeit mehr, mögliche frühere Falschaussagen zu „heilen“. Hartmanns Aussage werde dann, mit Edathys Aussagen und der seitdem gehörten Zeugen, der Staatsanwaltschaft „zur Überprüfung auf eventuelle uneidliche Falschaussagen“ übergeben.

Die Abgeordneten waren nach dem Eklat im Ausschuss irritiert und empört, einige machten ihrem Unmut draußen vor der Presse Luft. Unions-Obmann Armin Schuster (CDU) sprach von einem Affront gegenüber dem Parlament, Der Linke-Obmann Frank Tempel warf Hartmann vor, dieser habe „offensichtlich den Bezug zur Realität verloren“. Die Grünen-Obfrau Irene Mihalic sagte: „Ich finde das Vorgehen einfach ungeheuerlich.“

Für Hartmann spitzt sich die Lage damit dramatisch zu. Inzwischen wird spekuliert, er könnte sein Mandat verlieren. Auf die Frage, ob der SPD-Innenexperte noch in der SPD-Fraktion zu halten sei, wiegelte Högl allerdings ab und bekundete: „Diese Frage stellt sich nicht.“ Womöglich stellt sich die Frage aber doch, zumal die Rolle der SPD-Spitze in dem Fall nicht hinreichend geklärt scheint. Mihalic fragte denn auch, wen Hartmann wohl schützen wolle. Sie forderte die SPD auf, ihr Verhältnis zu dem Kollegen zu „klären“. Für den Ausschuss wird es ohne die zentralen Aussagen des Schlüsselzeugen Hartmann schwer, mögliche weitere Verwicklungen von Politikern aufzuklären. Das Gremium wird nun zunächst mit der Vernehmung von BKA-Beamten fortfahren.