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TRANSPARENZ
Christiane Schulzki-Haddouti
Die große Hoffnung

Mehr Demokratie, mehr Innovation - das sind die großen Versprechen von Open Data. In Deutschland werden staatliche Daten nur Schritt für Schritt weitergegeben, weil eine zentrale Gesetzesgrundlage fehlt

Das Versprechen von Open Data ist groß: Wenn der Staat Daten und Informationen für alle Beteiligten leichter verfügbar macht, wird politisches Handeln nicht nur demokratischer, sondern auch effizienter. Unternehmen können die Daten für neue Geschäftsmodelle verwenden, womit der Staat mit seinen Daten erheblich zur Entwicklung der Digitalwirtschaft beitragen kann. Es geht dabei nicht mehr um eine exklusive Vermarktung der Daten, sondern um eine Verwertung frei verfügbarer Daten durch verschiedene Analysen, die von einem möglichst großen, verlinkbaren Datenbestand profitieren.

Dass mit Open Data verschiedene Ziele erreicht werden können, zeigte eine Analyse der Weltbank bereits 2003 anhand eines Index für Transparenz und für Informationszugang: Regierungshandeln wird besser, wenn diese beiden Faktoren positiv sind. Und ein besseres Regierungshandeln geht wiederum mit einem höheren Wirtschaftswachstum einher. Das Gutachten "Open for Business", das 2014 im Rahmen des G20-Treffens veröffentlicht wurde, kommt zu dem Schluss, dass Open Data das Wirtschaftswachstum in den G-10-Staaten um 1,1 Prozent über einen Zeitraum von fünf Jahren steigern könnte.

Am erfolgreichsten sind derzeit Unternehmen, die Analyse-Dienstleistungen für verschiedene Industriebranchen anbieten. Sie kombinieren frei verfügbare Daten mit selbst erstellten Informationen. Die häufigsten Geschäftsmodelle sind Bezahlmodelle mit einer Dienstleistung, wie sie etwa die Climate Corporation anbietet. Das US-Unternehmen nutzt staatliche Wetter- und Satellitendaten, mit denen das Wachstum von Ackerpflanzen modelliert werden kann. Historische Daten wie Wetter, Boden und Pflanzenertrag werden mit aktuellen Wettermodellen kombiniert, um Prognosen für Pflanzen auf einzelnen Feldern erstellen zu können. Das Unternehmen wurde vor einiger Zeit von Monsanto für über eine Milliarde Dollar übernommen.

"Open Data" in Deutschland kommt bislang nicht so richtig voran. In ihrer im Dezember präsentierten Umfrage unter 134 Ländern stellte die britische "Open Knowledge Foundation" fest, dass Deutschland im Kreis der Industrieländer im "Global Open Data Index" deutlich vom Vorjahresplatz 9 auf Platz 26 zurückfiel. In keiner der 13 Kategorien konnte sich Deutschland verbessern, hingegen wurde es in den Bereichen Gesetzgebung und Unternehmensregister schlechter eingestuft.

Der "Open Data Index" ist recht streng: Positiv wird bewertet, wenn Daten online und kostenfrei verfügbar sind und überdies regelmäßig aktualisiert werden. Punkten können die Länder außerdem mit offenen Lizenzen, Maschinenlesbarkeit und großen zusammenhängenden Datenmengen. Wegen letzterem schnitt Deutschland in diesem Jahr bei den Daten zu Wahlergebnissen schlechter ab, weil etwa Daten auf der Ebene von Wahlstationen nicht verfügbar sind, sondern nur an Orten mit über 100.000 Personen.

Während Spitzenreiter Großbritannien für sein Open-Data-Portal bereits 25.000 Datensätze frei gegeben hat, sind es in Deutschland nur rund 15.000. Darunter sind knapp 3.000 Datensätze, die nur eingeschränkt verwendet werden dürfen. Es fehlen wichtige Daten wie beispielsweise zu staatlichen Ausschreibungen und Vergaben sowie Wirtschaftsdaten wie etwa das Handelsregister und Geodaten. Die Anzahl der verwendeten Lizenzen bezeichnet die Open Knowledge Foundation als "unüberschaubar", immerhin ein Viertel sei nicht offen.

Ziele im Koalitionsvertrag Die Bundesregierung will Open Data Schritt für Schritt umsetzen. Bisher hat sie das Thema mit dem weiten Blick auf "Open Government" im Bundesinnenministerium verankert. Dort werden aber derzeit die relevanten 1,5 Personalstellen abgebaut. Auf eine parlamentarische Nachfrage der grünen Bundestagsfraktion teilte das Ministerium mit, dass ein Beitritt zum weltweiten Bündnis "Open Government Partnership" lediglich "geplant" sei, obgleich dieser im Koalitionsvertrag bereits beschlossene Sache war. In diesem Zusammenschluss von mehr als 60 Staaten sollen mit Hilfe von Open Data verschiedene Ziele erreicht werden, wie etwa eine größere politische Offenheit durch Transparenz und eine bessere Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.

Im Koalitionsvertrag wurde eine gesetzliche Grundlage angekündigt, um Verwaltungsbehörden die Veröffentlichung von Daten zu erleichtern. Zwar gibt es inzwischen einige Gesetze mit Open-Data-Bezug, doch ein zentrales Dateninfrastrukturgesetz wurde noch nicht geschaffen. Jörn von Lucke, Professor an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen und Leiter des Open Government Institute, betont: "Wenn wir uns an den Aufbau einer Dateninfrastruktur machen, brauchen wir auch Gesetze, auf deren Grundlage Geld und Personal bereitgestellt werden können." Sonst sähen die Behörden keine Notwendigkeit zu handeln, sagt von Lucke.

Einblick in die Skepsis der Verwaltung gibt Göttrik Wewer, E-Government-Lobbyist bei der Deutschen Post und ehemaliger Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Zur US-Initiative "Open Government Partnership" schrieb er, dass Deutschland seinen Beitritt "sorgfältig" abwägen sollte, da damit eine "neue staatliche Daueraufgabe mit einem erheblichen Koordinierungsaufwand" entstünde. Die Regierung würde "zur Getriebenen von Aktivisten, ohne dass wesentliche Fortschritte für Good Governance" zu erwarten seien. Strategisch diene die Initiative der USA dazu, "autoritäre Regime durch eine offizielle Partnerschaft und durch die Aktivierung der Zivilgesellschaft 'von oben' und 'von unten' gleichsam in die Zange zu nehmen".

Innovative Sicht Hamburg gilt mit seinem Transparenzgesetz als bundesweiter Vorreiter. Das bisherige Open-Data-Portal der Stadt ist inzwischen im Transparenzportal aufgegangen. Die Stadt will den Umgang mit Open Data in der öffentlichen Verwaltung fördern. So wird derzeit geprüft, welche weiteren Daten veröffentlicht werden können. Live-Daten gibt es auch bereits, wie etwa Parkplatzbelegungsdaten und die jeweils größten 50 Baustellen. Auch wurde die technische Infrastruktur so gestaltet, dass Verwaltungsmitarbeiter praktisch per Klick entscheiden können, ob und wie sie Daten der Behörde veröffentlichen. Die zur Veröffentlichung verpflichteten Unternehmen haben aber bisher nur "verhältnismäßig wenige Unterlagen" veröffentlicht, berichtet der Hamburger Informationsfreiheitsbeaufragte Johannes Caspar.

Für von Lucke ist klar, dass es eine innovative Sicht auf Open Data braucht: "Wir müssen aus staatlicher Sicht eine Geschäftsfeldentwicklung vornehmen." Vorbildlich sei Großbritannien, das 2012 ein "Open Data Institute" (ODI) mit 10 Millionen Pfund Wirtschaftsförderung eingerichtet hat, da es Open Data als wichtigen Motor der Digitalwirtschaft begreift. Mit seinem Inkubator fördert das Institut datengetriebene Startups. In Wien wurde in diesem Jahr mit dem "ODI Node Vienna" ein Ableger gegründet, der über die Vernetzung mit weiteren "Nodes" und Initiativen das "Open-Data-Ökosystem" weiter aufbauen soll.

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, stellt jetzt im Rahmen eines "Modernitätsfonds" 100 Millionen. Euro Fördergelder für "digitale Innovationen" bereit. Erst im November organisierte er mit dem "BMVI Data-Run" den ersten staatlichen Hackday zu Mobilitätsdaten, dessen Gewinner aus dem Fonds eine Förderung erhielt. Dies wertet von Lucke als einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Letztlich müsse der Staat aber die Frage beantworten: "Wie stellen wir sicher, dass datengetriebene Innovation auch in Deutschland eine Chance hat? Wir dürfen uns von dieser Entwicklung nicht abkoppeln."

Die Autorin arbeitet seit 1996 als IT- und Medienjournalistin.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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