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HARTZ-IV-REFORM : Kompliziert vereinfacht

Experten warnen vor Bürokratie

06.06.2016
2023-08-30T12:30:02.7200Z
2 Min

Die von der Bundesregierung geplante Rechtsvereinfachung im Hartz-IV-System entlastet die Jobcenter nicht. Diese Ansicht vertrat eine Mehrheit von Sachverständigen in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales in der vergangenen Woche. Sehr kritisch bewertet wurden außerdem geplante Änderungen bei den sogenannten "temporären Bedarfsgemeinschaften", also auf Grundsicherungsleistungen angewiesenen Alleinerziehenden, deren Kinder sich zeitweise auch bei dem anderen Elternteil aufhalten. Einige Sachverständige äußerten zudem Unverständnis über die Beibehaltung der Sanktionsregeln für Leistungsempfänger, die jünger als 25 Jahre sind. Zustimmend äußerten sich Experten dagegen darüber, Hartz-IV-Bescheide nicht mehr nur für sechs, sondern nur für zwölf Monate auszustellen. Auch die Möglichkeit der nachgehenden Betreuung nach dem Wegfall der Hilfebedürftigkeit fand positive Resonanz.

Mit dem Gesetzentwurf für ein Neuntes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (18/8041) sollen zahlreiche Regelungen des SGB II vereinfacht und neu strukturiert werden. Der Entwurf legt auch fest, dass ein minderjähriges Kind, das sich wechselweise in beiden Haushalten der getrennt lebenden Eltern aufhält, als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft beiden Haushalten für den gesamten Monat angehört. Der Regelsatz des Kindes soll entsprechend der Gesamtzahl der Anwesenheitstage im jeweiligen Haushalt aufgeteilt werden.

Für den Deutschen Landkreistag betonte Markus Mempel, der Entwurf sorge durch diese Neuregelung und die Beibehaltung der Sanktionen für unter 25-Jährige für "erhebliche" bürokratische Mehrbelastungen der Jobcenter. Frank Jäger vom Erwerbslosenverein Tacheles nannte diese gar "bürokratischen Irrsinn". Durch die tageweise Abrechnung auch bei Paaren, bei denen nur ein Elternteil Hartz IV bezieht, werde die Zahl der Fälle deutlich steigen, warnte er. Stefan Sell, Professor für Sozialpolitik an der Hochschule Koblenz warnte, die Änderungen würden die Situation von Alleinerziehenden deutlich verschlechtern. Er regte an, einen Unterhaltsmehrbedarf für den umgangsberechtigten Elternteil einzuführen, der SGB-II-Leistungen bezieht.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) verteidigte die Sanktionsregeln. Deren Abschaffung würde dem Prinzip des Fördern und Forderns widersprechen und die Menschen in der Regel nicht überfordern, sagte BDA-Vertreterin Anna Robra. Für den Deutschen Caritasverband merkte Birgit Fix an, dass die Sanktionierung junger Leistungsempfänger ein "äußerst konfliktträchtiges Verfahren" sei, in dessen Folge viele Jugendliche komplett aus dem System fallen würden. Deren Wiedereingliederung sei oft sehr schwierig, betonte sie. BDA, Caritasverband wie auch einige andere Sachverständige sprachen sich für die Einführung von Bagatellgrenzen bei Rückforderungen aus, um aufwändige Erstattungsbescheide auch bei Kleinstbeträgen zu vermeiden.