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Nsu-Ausschuss : Die zwei Leben des V-Manns »Corelli«

Ein Freund der einstigen Geheimdienstquelle im Umfeld des NSU äußert Zweifel an dessen Todesursache

26.09.2016
2023-08-30T12:30:07.7200Z
2 Min

Kann man eng miteinander befreundet sein, ohne Entscheidendes über den Anderen zu wissen? Diese Frage schwebte in der vergangenen Woche durch den Sitzungssaal des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages. Dort war der Zeuge T. M. geladen, um über seinen "engen Freund" und Nachbarn Thomas Richter zu berichten. Richter hatte jahrelang als V-Mann "Corelli" für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gearbeitet und ist zu einer zentralen Figur im Komplex um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) geworden. Der Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Clemens Binninger (CDU) soll offene Fragen zur Arbeit der Sicherheitsbehörden bei der jahrelangen Suche nach den Mördern von neun türkisch- beziehungsweise griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer deutschen Polizistin beleuchten.

Der 2014 verstorbene Richter und er hätten sich 2010 in Leipzig kennengelernt, sagte M. Sie hätten bald regelmäßig Nachmittage und Abende zusammen verbracht. Thomas M. hatte auch einen Schlüssel zu Richters Wohnung. Wenn Richter einmal einige Wochen "geschäftlich" unterwegs gewesen sei, habe er dessen Pflanzen gegossen und "nach dem Rechten" gesehen. Dass Richter ein bundesweit führender Neonazi und obendrein V-Mann des Verfassungsschutzes war, will Thomas M. nicht gewusst haben. Er habe selbst keinen Bezug zur rechten Szene, betonte M. Er berichtete, dass Richter des Öfteren nach Halle gefahren sei, um sich dort mit Gleichgesinnten zu treffen. Er habe diese anderen Freunde Richters aber kaum einmal zu Gesicht bekommen, beteuerte M. Seiner Aussage zufolge hat Richter zuhause in Leipzig ein unauffälliges Doppelleben geführt.

Detailliert fragten die Abgeordneten nach der Zeit zwischen Richters Enttarnung als V-Mann 2012 und seinem Tod im April 2014. In dieser Zeit war M. einer der wenigen, zu denen Richter noch Kontakt hatte. Thorsten Hoffmann (CDU) verlas einen kurzen schriftlichen Dialog, den Richter und M. am 2. April 2014 auf WhatsApp geführt haben, fünf Tage, bevor der V-Mann tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde. Auf die Frage von M., ob "alles klar" sei, schrieb Richter damals nur: "Bin krank." Trotz mehrmaligen Nachhakens von Seiten M.'s antwortete Richter danach nicht mehr.

Zweifel an Zuckerschock Ob das nicht eine "äußerst untypische Kommunikationsweise" für Richter gewesen sei, fragte Binninger. Der Zeuge bestätigte das: "Es war für mich, als ob er das nicht selber gewesen wäre." Richter habe sonst "immer Romane geschrieben". Soweit er wisse, habe Richter auch kein Diabetes gehabt und sei fast nie krank gewesen. Während einer früheren Vernehmung durch das Bundeskriminalamt hatte M. bereits bezweifelt, dass Richter, wie bisher angenommen, an einem Zuckerschock gestorben ist. Auf die Frage, wer Richter dann womöglich ermordet haben könnte, hatte M. im Ausschuss keine Antwort.