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NSU-ausschuss : Lückenhafte Informantenberichte

Geschredderte Akten machen den Ermittlern zu schaffen

28.11.2016
2023-08-30T12:30:10.7200Z
2 Min

Die vernichtete Akte eines zentralen V-Manns im NSU-Komplex konnte offenbar nicht so umfangreich rekonstruiert werden, wie bisher angenommen. Das ergab vergangene Woche die Befragung eines ehemaligen hochrangigen Mitarbeiters des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Der Zeuge Gerd Egevist war von 1996 bis 2003 Referatsgruppenleiter im Bereich Rechtsextremismus/-terrorismus des BfV, also in der Zeit, als sich die rechte Terrorgruppe NSU formierte, untertauchte und erste Anschläge beging. In Egevists Amtszeit fällt die Operation "Rennsteig", in deren Rahmen das BfV zwischen 1996 und 2003 mehrere Neonazis aus Thüringen als V-Männer anwarb. Ein Ziel der Operation war es, die rechtsextreme Kameradschaft "Thüringer Heimatschutz" auszuspähen, in der die späteren NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe aktiv waren.

Über die Einzelheiten der Operation ist wenig bekannt, auch deshalb, weil die Akten 2011 von einem Mitarbeiter des BfV geschreddert wurden, kurz nachdem der NSU enttarnt worden war. Gegen den verantwortlichen Mitarbeiter hat kürzlich die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen aufgenommen. Ein Teil der vernichteten Akten konnte rekonstruiert werden. Jedoch ist unklar geblieben, ob die damals rekrutierten Spitzel vom NSU wussten und entsprechende Informationen an den Verfassungsschutz weitergaben. Das BfV beteuert, von den V-Leuten nicht über den NSU unterrichtet worden zu sein.

Egevist gab an, mit der Operation Rennsteig "nur oberflächlich" befasst gewesen zu sein. Angesprochen auf den V-Mann "Tarif", dessen Akte 2011 ebenfalls im Schredder gelandet war, sagte er: Lediglich "zehn bis 20 Prozent" der Akte hätten rekonstruiert werden können. Damit widersprach er der offiziellen Version. So hatte ein Sonderermittler des Innenministeriums beteuert, die vernichteten Akten seien "zum Großteil wiederhergestellt" worden. Das ist im Abschlussbericht des ersten NSU-Ausschusses nachzulesen. Ein Mitarbeiter der Bundesregierung relativierte Egevists Schätzung sogleich: Es lägen mehr als 20 Prozent der "Tarif"-Akte vor. Egevists Urteil, dass die so lückenhafte Akte kaum mehr lesbar sei, widersprach die Bundesregierung allerdings nicht.

Die Obfrauen Petra Pau (Die Linke) und Irene Mihalic (Grüne) bemängelten zudem, dass auch zur sogenannten Operation "Drilling" noch immer wichtige Dokumente fehlten. Im Rahmen dieser Operation hatte der Verfassungsschutz erfolglos nach dem flüchtigen Trio gefahndet, ohne offenbar zu wissen, dass es sich dabei um mordende Terroristen handelt. Inwieweit die hierzu fehlenden Protokolle ebenfalls vernichtet wurden oder noch in einem Aktenschrank lagern, konnte bisher nicht geklärt werden.