Piwik Webtracking Image

wirtschaft : Alte Heimat neu entdeckt

Gabriel fordert Stärkung kleiner Orte. Verweis auf gute ökonomische Daten

28.11.2016
2023-08-30T12:30:10.7200Z
3 Min

Zurück zum Bewährten: Angesichts der "rasanten Veränderungen durch die Digitialisierung" und wachsender Sorgen der Menschen wegen ihrer Zukunft hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zugesichert, Deutschland bleibe ein "Anker der Stabilität", der auch andere stabilisieren könne. Den Menschen müsse gezeigt werden, dass sie trotz der Veränderungen in der Welt "in unserem Land sicher und gut leben können", sagte Gabriel am Donnerstag in der Wirtschaftsdebatte des Bundestages. Er versprach insbesondere mehr Einsatz für die ländlichen Regionen: "Nicht nur die Kirche, auch die Grundschule muss im Dorf bleiben."

Gabriel hob die guten Wirtschaftsdaten hervor. Über 43 Millionen Menschen hätten Beschäftigung. Reallöhne und Renten würden steigen. Die Arbeitslosigkeit sei so niedrig wie seit 26 Jahren nicht mehr. Bei den guten Zahlen sei es möglich, die "gewaltige Aufgabe der Flüchtlingsintegration" bisher ohne Steuererhöhungen zu bewältigen.

Demografischer Wandel Gabriel betonte, die Investitionen des Bundes seien gestiegen, Länder und Kommunen seien in dieser Legislaturperiode um 70 Milliarden Euro entlastet worden. Das sei besonders wichtig, weil die große Investitionstätigkeit in den Kommunen stattfinde. Er bedauerte die Schließung öffentlicher Einrichtungen wie Krankenhäuser und Gerichte "dort, wo der demografische Wandel dazu führt, dass die Orte kleiner werden. Ich glaube, dass wir das nicht so weitermachen können." Es könne keine soziale und liberale Demokratie geben ohne soziale und offene Gemeinden und Dörfer: "Verwahrloste Städte und Gemeinden schaffen verwahrloste Köpfe und Seelen." Daher komme es darauf an, die Kraft der Dörfer, Gemeinden und Städte deutlich zu stärken. "Heimat ist ein moderner Begriff", sagte Gabriel. Der Minister warnte vor konsumtiven Ausgabenversprechen, aber auch vor unbezahlbaren Steuersenkungsversprechen und vor einem Wettlauf von Unternehmenssteuersenkungen in Europa.

Thomas Jurk (SPD) stellte fest, die Wirtschaft befinde sich auf solidem Wachstumskurs. "Die Erwerbstätigkeit liegt auf hohem Niveau, und die Arbeitslosigkeit sinkt kontinuierlich." Allerdings würden immer noch zu viele Menschen trotz harter Arbeit zu geringe Löhne beziehen, auch wenn der Mindestlohn zu Lohnsteigerungen und zu einer höheren Nachfrage geführt habe.

Roland Claus (Die Linke) sagte, die Früchte des Erfolgs seien ungleichmäßig verteilt. Für Millionen von Beschäftigten und deren Kinder gelte leider: "Arm trotz Arbeit." Auch Michael Schlecht (Die Linke) verwies auf die schlechte Situation von Arbeitnehmern mit Zeitarbeitsverträgen und Leiharbeitern. Wenn diese die Rede des Ministers mit der rosig gemalten Situation hören würden, würden sie sich "veräppelt fühlen". Wenn alles nur beschönigt werde, werde den rechten Populisten Wasser auf die Mühlen geleitet.

Anja Hajduk (Grüne) wies auf Gabriels Verantwortung für den Klimaschutz hin. Er habe den Kohleausstieg verhindert und damit Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) mit einem "entkernten Klimaschutzplan" zur Klimakonferenz nach Marrakesch geschickt. Den Kohleausstieg nicht als Ziel zu formulieren, "ist keine richtige Politik im 21. Jahrhundert". Auch bei der Energieeffizienz komme der Minister nicht voran. 500 Millionen Euro Fördermittel würden ungenutzt liegenbleiben, unter anderem weil der Effizienzfonds nicht funktioniere. Gabriel wies die Kritik mit dem Hinweis zurück, es gebe kein Land der Erde mit einem so detaillierten Klimaschutzplan. Wenn die Grünen Kanada als Vorbild empfehlen würden, sollten sie auch sagen, dass die Alternative zur Kohle dort Fracking und Ölsande heiße.

Mit der Oppositionskritik befasste sich Andreas Mattfeld (CDU). Es könne nicht schaden, wenn die Opposition die Wirklichkeit betrachte und der Frage nachgehe, warum Deutschland im Vergleich zu den Nachbarn wesentlich besser dastehe. Seit Jahren gebe es kontinuierliches Wachstum, und "wir sind eine der führenden Exportnationen weltweit". Das liege auch am starken Mittelstand. Made in Germany "steht nach wie vor für Qualität und Verlässlichkeit und verkauft sich ausgesprochen gut".

Minister Gabriel kann im kommenden Jahr über rund 7,73 Milliarden Euro verfügen. Änderungsanträge der Oppositionsfraktionen (18/10401, 18/10402, 18/10403) wurden von der Koalitionsmehrheit abgelehnt. Die Linke wollte mehr Geld für den Mittelstand, die Grünen forderten mehr Mittel für industrielle Forschung.