Piwik Webtracking Image

Kurz rezensiert

19.12.2016
2023-08-30T12:30:12.7200Z
2 Min

Erfahrene Propheten warten die Ereignisse ab, lautet ein beinahe vergessenes Sprichwort. Prognosen werden jedoch zu ernst genommen, etwa die der mit dem Titel "Die fünf Weisen" geschmückten Sachverständigen. Ob deren Zahlen erreicht, unterschritten oder überschritten wurden, fragt später kein Mensch. Gewartet wird wieder auf die nächste Prognose. Doch die Zeiten ändern sich: Gerade Volkswirte erleben einen Vertrauensverlust. 80 Prozent der Bundesbürger meinen, es gehe auch ganz gut ohne diese Wissenschaft.

Philipp Plickert, Redakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", befasst sich in seinem Buch "Die VWL auf Sinnsuche" mit dem Problem. Er konstatiert, dass die von fast keinem Ökonomen vorausgesagte Finanzkrise 2007 das Vertrauen in die Zunft nachhaltig gestört hat. Plickert beschränkt sich in dem Buch keineswegs auf historische und aktuelle Irrtümer, sondern spricht auch Probleme mit der Geldflut durch Notenbanken und mit den Banken ("Die Banken sind fett und gefährlich") an. Er bezweifelt Aussagen, die Staaten wollten keine Banken mehr retten, weil ein genauer Blick in die EU-Abwicklungsrichtlinie "tatsächlich eine Vielzahl von fragwürdigen Ausnahmen und Schlupflöchern" zeige.

Übrigens lagen die Wirtschaftswissenschaften nicht immer daneben. Plickert erinnert, nach dem Maastrichter Vertragsschluss von 1992 hätten 60 angesehene Ökonomen, darunter der frühere Wirtschaftsminister Karl Schiller, ein Manifest ("Die EG-Währungsunion führt zur Zerreißprobe") verfasst. Und 1998 hätten 155 Wirtschaftswissenschaftler einen Aufruf unterzeichnet ("Der Euro kommt zu früh"). Diese und spätere Warnungen vor zu hoher Staatsverschuldung hatte Helmut Schmidt 2011 als "leichtfertiges Geschwätz" abgetan. Plickert kontert mit dem Harvard-Professor Martin Feldstein, der die Staatsschuldenkrise nicht als Unfall oder Folge von Missmanagement ansieht, sondern als unvermeidliche Folge davon, "einer sehr heterogenen Gruppe von Ländern eine Einheitswährung aufzuerlegen".