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USA : Janusköpfige Söhne der Freiheit

Michael Hochgeschwenders differenzierter Blick auf die Amerikanische Revolution

19.12.2016
2023-08-30T12:30:12.7200Z
2 Min

"Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen worden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freyheit und das Bestreben nach Glückseligkeit." Bereits einen Tag nach ihrer Verabschiedung durch den Kontinentalkongress veröffentliche in Philadelphia der "Pennsylvanische Staatsbote" die erste deutsche Übersetzung der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776.

In den Genuss der "unveräußerlichen Rechte" jedoch sollten in den 13 Kolonien, die sich vom britischen Mutterland lossagten, zunächst nur freie, männliche Weiße kommen - für Frauen galten sie bestenfalls mit Einschränkungen. Sklaven oder Indianer, für die die amerikanische Unabhängigkeit "wortwörtlich vernichtend" endete, standen außerhalb der naturrechtlichen Freiheits- und Gleichheitsvorstellungen.

Es sind nicht zuletzt die Kapitel über diese "marginalisierten" Gruppen, die Michael Hochgeschwenders fundierte und spannend geschriebene Monografie über die Amerikanische Revolution so lesenswert machen. Überhaupt präsentiert der Amerikanist von der Universität München einen höchst differenzierten Blick auf die Menschen in diesem epochalen Ereignis. Der einfache amerikanische Milizionär oder der von Großbritannien angeworbene hessische Grenadier findet ebenso Hochgeschwenders Interesse wie die Protagonisten im historischen Rampenlicht.

Abseits gängiger Klischees beschreibt Hochgeschwender den in den USA bis heute mythologisch überhöhten Kampf zwischen patriotischen, freiheitsliebenden Kolonisten und ihren brutalen, britischen Unterdrückern als einen blutigen Bürgerkrieg, dessen Fronten quer durch alle sozialen Schichten, Konfessionen, Ethnien und selbst Familien verlief. So standen den geschätzt 35 bis 40 Prozent revolutionär gesinnten Whigs unter den amerikanischen Kolonisten immerhin 20 bis 25 Prozent königstreue Torys gegenüber. Und zwischen den Fronten versuchten sich bis zu 40 Prozent Neutrale, "Apolitische und Apathische", die in vielen Regionen die satte Mehrheit der Bevölkerung bildeten, mit der einen oder anderen Seite zu arrangieren - und dies meist unter Zwang..

Die Motivationen der Revolutionäre selbst waren auch viel zu unterschiedlich und von handfesten wirtschaftlichen Interessen geprägt, als dass sich die Revolution auf einen Nenner bringen ließe. Das Ideal der Freiheit ging im Sinne des Liberalismus von John Locke Hand in Hand mit wirtschaftlichen Eigentum. Speiste sich der Kampf der "sons of liberty" etwa aus dem Widerstand gegen die britische Steuer- und Zollpolitik, ging es Siedlern im Westen ebenso um die Eroberung von Land auf Kosten der Indianer, den die englische Krone zumindest einzuhegen versucht hatte, und die Plantagenbetreiber im Süden waren erbost über die sich in Großbritannien abzeichnende Ablehnung der Sklaverei.

Insgesamt zeichnet Hochgeschwender das Bild einer vormodernen Revolution, die im Gegensatz zur Französischen "nicht den Neuen Menschen, sondern die Freiheit des Alten" hervorbringen wollte. Im Ergebnis sei eine letztlich bis heute "unvollendete Nation" entstanden.