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Parlamentarisches Profil : Die Anti-Rassistin: Katja Kipping

29.02.2016
2023-08-30T12:29:57.7200Z
3 Min

Katja Kipping (38) lächelt halb amüsiert, halb gequält - amüsiert, weil die erwartete Frage an die Dresdnerin natürlich kam; gequält, weil es sie erkennbar auch nervt: Warum fällt immer Sachsen negativ auf mit Attacken gegen Flüchtlingsheime und neuerlich Pöbeleien gegen ankommende Flüchtlinge in Clausnitz? "Wer auch immer sagt, der Rassismus hat jetzt einen Adresse, nämlich Sachsen, der begeht einen großen Fehler." Denen "mit anderer Adresse", die sich womöglich "zurücklehnen und sagen, wir haben offensichtlich kein Problem", hält sie vor: "So einfach kann man es sich nicht machen."

"Verschärfende Faktoren" macht sie denn doch in Sachsen aus: "Wir haben seit 25 Jahren eine CDU-Regierung. Und die hat große Fehler begangen." Sie habe sich immer geweigert, die sich verfestigenden braunen Strukturen zu anzugehen Kipping: "Wir haben oft darauf hingewiesen, dass Angsträume im ländlichen Raum entstehen", nämlich "national befreite Zonen". Ausgewichen sei die Regierung mit Sätzen wie: Wir sind generell gegen Gewalt. Und die CDU habe "alles getan, um zivilgesellschaftliches und antifaschistisches Engagement zu diffamieren und zu kriminalisieren".

Nicht nur einmal habe sie das im sächsischen Landtag angesprochen. Von 1999 bis 2005 gehörte sie ihm an, wechselte dann in den Bundestag. Seit Mitte 2012 führt die Slawistin mit Magisterabschluss - verheiratet, eine kleine Tochter - zusammen mit Bernd Riexinger die Linkspartei. Und benotet sich gut: "Die Partei hat sich seitdem stabilisiert. Wir konnten so manchen Wahlerfolg feiern, zum Beispiel in Hamburg und Bremen. In Thüringen zeigt sich: Die Linke kann auch Ministerpräsident." In Sachsen-Anhalt möchte sie das am 13. März auch zeigen. Sonderlich gut sind dort die Aussichten für eine Linken-geführte rot-rot-grüne Koalition freilich nicht. Und auf das Abschneiden ihrer Partei am selben Tag in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz muss sich Kipping auch nicht unbedingt freuen.

Etwa, weil bisherige Linke-Wähler derzeit in Scharen zur AfD überlaufen? Verliererängste angesichts des Flüchtlingszustroms? Gibt es Schnittmengen zwischen Linkspartei und AfD? Kipping wird energisch: "Ja, das wird immer behauptet. Mich ärgert das." Dies schon "allein vor dem Hintergrund, dass Mitglieder unserer Partei besonders in der Flüchtlingshilfe aktiv sind". Dass sie "immer dabei sind, wenn es darum geht, sich Neonazis in den Weg zu stellen". Und schließlich habe "die Linke als einzige Partei geschlossen gegen die Verstümmelung des Asylrechts gestimmt". Kipping; "Man kann nicht behaupten, dass sich das Gros der AfD-Wähler aus der Linken speist." Die kämen vielmehr "aus der Union und aus dem Nichtwählerspektrum".

"Besorgniserregend" findet sie "das Zusammenspiel der Wahlergebnisse der Rechtspopulisten und eine explosionsartigen Zunahme von rechtsextremistischer Gewalt gegen Leib und Leben". Überdies komme "eine zunehmende Verrohung der Sprache" hinzu: "Wenn anderen Menschen das Menschsein abgesprochen wird." Jetzt müsse sich "entscheiden, ob dieses Land den Weg von Ungarn gehen wird oder zu einer weltoffenen demokratischen Gesellschaft aufbricht".

Beschwörende Worte. Aber wie stellt sich Kipping die nötige praktische Politik vor? "Es gilt, die Verunsicherung, die es gegenwärtig gibt, ernst zu nehmen" - etwa, dass die Krankenkassenbeiträge steigen. Aber das bedeute "nicht, dass man rassistische Deutungsmuster nachplappert, sondern Maßnahmen ergreift, die diese Ängste nehmen". Konkret: "Deswegen fordern wir eine Sozialgarantie." Das heiße: Kanzlerin und Vizekanzler sollten vor die Kameras treten und deutlich machen: Wir werden keine Sozialkürzungen vornehmen.

Außerdem: "Damit sich der Rassismus nicht noch in den Herzen und Köpfen der nachwachsenden Generation festsetzt, muss man in der Schule anfangen, Begegnungen zu organisieren, aber auch die Demokratie als wirkliche Praxis zu leben", sagt Katja Kipping. Und klar sei: "In einer Gesellschaft, in der Abstiegs- und Existenzängste um sich greifen und die Leute auf Ellenbogen-Einsatz getrimmt werden, haben es Rassisten leichter mit ihrer Propaganda." Ergo: "Wer Rechtspopulismus und Rassismus nachhaltig bekämpfen will, sollte sich auch vom Neoliberalismus verabschieden."