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ASYL : Koalitionslager mit Rissen

Abschiebungen nach Afghanistan lösen in der SPD-Fraktion Kritik an der Regierungslinie aus

02.05.2017
2023-08-30T12:32:20.7200Z
3 Min

Er war 16, als er kam, und 23, als er gehen musste. In der Zwischenzeit hatte sich der junge Afghane in München gut eingelebt. Er war mit einer Deutschen verlobt, ging einer regelmäßigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Nach den Worten von Luise Amtsberg hat er "alles getan, um hier auf eigenen Beinen zu stehen". Doch es habe ihm nichts genutzt. Kürzlich sei der junge Mann vom Arbeitsplatz weg festgenommen und in eine Chartermaschine nach Kabul gesetzt worden: "Was ist das anderes als populistischer Wahlkampf auf dem Rücken von Schutzsuchenden?", empörte sich die Grünen-Abgeordnete vergangene Woche im Plenum.

»Unverantwortlich« Auf der Tagesordnung stand ein Antrag (18/12099) ihrer Fraktion, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen. Die Bundesregierung sei aufzufordern, unter anderem das im Oktober vorigen Jahres vereinbarte Rückführungsabkommen nicht mehr anzuwenden und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anzuweisen, "afghanischen Asylbewerberinnen und Asylbewerbern zumindest subsidiären Schutz zu gewähren". In dieser Debatte hatten die Grünen nicht nur Die Linke an ihrer Seite. Eine knappe Stunde lang schien es im Bundestag schon keine Große Koalition mehr zu geben.

Deutlich wurde das, als der Sozialdemokrat Lars Castellucci das Wort ergriff. Er habe bereits im vergangenen Dezember klargestellt, "dass ich Abschiebungen nach Afghanistan zum derzeitigen Zeitpunkt für unverantwortlich halte", war sein erster Satz, dem er hinzusetzte: "Wenn wir uns von Einzelschicksalen nicht mehr berühren lassen, dann sind wir als Abgeordnete auch fehl am Platz." Afghanistan sei ein Staat, der seine Bürger nicht schützen könne, und in existentiellen Fragen gelte ohnehin der Grundsatz: Die schlechte Prognose hat Vorrang vor der guten - so viel aus Sicht des SPD-Mannes zur Einschätzung der Bundesregierung, es gebe sichere Gegenden in Afghanistan.

Persönliche Überzeugung Sein Fraktionskollege Rüdiger Veit kritisierte offen SPD-Chef Martin Schulz und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) für ihre Unterstützung der Abschiebe-Politik und rief dazu auf, dem Antrag der Grünen zuzustimmen. Seine Überzeugung, räumte Veit ein, sei "hochpersönlich", sie gelte "nicht für die gesamte SPD - das bedauere ich sehr".

Da blieb es allein der Union überlassen, die Regierungslinie zu halten. Gewiss, sagte Andrea Lindholz (CSU), Afghanistan sei ein "sehr armes Land und seit Jahrzehnten nicht im Friedenszustand". Das gelte aber für viele Weltgegenden. Zwei Milliarden Menschen seien derzeit gezwungen, in Konfliktgebieten zu leben. Und solle etwa die Bundesregierung "mit falschen Signalen" alle jungen, leistungsfähigen Männer ermutigen, Afghanistan zu verlassen? "Es ist auch Aufgabe der Afghanen, in ihrem Land für Besserung zu sorgen", betonte Lindholz.

"Ich finde Sie unglaublich zynisch", entgegnete für Die Linke Ulla Jelpke der CSU-Frau. "Auch junge Männer haben das Recht, dass wir sie schützen", betonte sie. Stattdessen aber würden psychisch Kranke oder Menschen in Ausbildung zurückgeschickt "in ein Kriegsland", beklagte die Linken-Abgeordnete und sah dahinter eine "wahltaktische Überlegung: Sie eifern der AfD nach, das ist ganz offensichtlich, mit Ihrer Abschiebehysterie." Unerfüllt blieb die Forderung der Grünen, direkt über ihren Antrag abzustimmen; er wurde an die Ausschüsse überweisen - auf Wunsch der Koalition.