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KOSOVO : »Albtraum eines Großalbaniens«

Die Bundeswehr setzt den KFOR-Einsatz fort, schickt allerdings weniger Soldaten

26.06.2017
2023-08-30T12:32:23.7200Z
3 Min

Die Bundeswehr wird sich weiterhin am sogenannten KFOR-Einsatz der Bundeswehr im Kosovo beteiligen, die Zahl der Soldaten aber erheblich reduzieren. In namentlicher Abstimmung votierten am vergangenen Donnerstag 513 Abgeordnete für einen entsprechenden Antrag (18/12298) der Bundesregierung, 53 lehnten ihn ab. Es gab fünf Enthaltungen.

Sicherheit Der Einsatz wurde vom Bundestag erstmals im Juni 1999 gebilligt. Ziel ist es, die Entwicklung des kleinen Balkanstaates zu einem stabilen, demokratischen, multiethnischen und friedlichen Land zu unterstützen. Lag die Mandatsobergrenze zuletzt bei 1.350 Soldaten, sinkt diese nun auf 800, da sich die Lage im Land weiter positiv entwickelt habe. "Die kosovarischen Sicherheitsorgane erweisen sich als zunehmend in der Lage, die öffentliche Sicherheit und Ordnung ohne Unterstützung der internationalen Sicherheitspräsenzen zu gewährleisten", schreibt die Bundesregierung. Die internationale Truppenpräsenz bleibe jedoch "notwendiger Bestandteil der Sicherheitsstruktur, um ein sicheres und stabiles Umfeld aufrecht zu erhalten".

Gernot Erler (SPD) machte deutlich, dass der KFOR-Einsatz immer noch gebraucht werde. Im Kosovo gebe es immer noch "Eskalationspotential". Zur Wahrheit gehöre auch, dass korrupte Eliten das Land fortwährend ausbeuten würden und sich "Stabilitätsversprechen teuer bezahlen" ließen. "Europa konnte die blutige Balkankriege der 1990er Jahre nicht verhindern", sagte Erler. Die EU habe aber gelernt und zunächst mit einem Stabilitätspakt und dann mit den EU-Beitrittsaussichten das "Tor zu einer positiven Europaperspektive aufgestoßen". Es bedürfe im Rahmen des "Berlin-Prozesses" aber eines neuen Impulses und neuer Mittel für die Region, in der nicht zuletzt geopolitische "Player" eine zunehmend "offensive Einflusspolitik alter Schule" betreiben würden, sagte Erler.

Sevim Dagdelen (Die Linke) lenkte den Blick auf die vorgezogene Neuwahl im Kosovo, bei der Extremisten die Oberhand gewonnen hätten. Der Wahlsieger Ramush Haradinaj, ein früherer UCK-Kämpfer, sei nur deshalb nicht vom UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verurteilt worden, weil neun von zehn Zeugen während des Prozesses ermordet worden oder ums Leben gekommen seien. Mit KFOR werde somit ein "Gebilde gestützt", an dessen Spitze bald ein Mann stehen könnte, der die Region mit dem "völkischen Albtraum" eines "Großalbaniens" in Brand setzen könnte. Hinzu komme, dass sich das Kosovo zu einem "islamistischen Terrorzentrum" entwickelt habe, sagte Dagdelen. Die Bundesregierung verfahre jedoch "nach dem Prinzip der die drei Affen: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen".

Franz Josef Jung (CDU) erinnerte daran, dass ohne ein Eingreifen der Nato 1999 keine Rückkehr zu Frieden und Stabilität in der Region möglich gewesen wäre. Heute seien die kosovarische Polizei und Armee in der Lage, für Sicherheit zu sorgen, KFOR bleibe eine "Rückversicherung". Es gelte weiterhin, die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo zu unterstützen. Es brauche aber einen "neuen Impuls" für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption im Kosovo. "Eine Forderung nach einem Großalbanien ist genau das Gegenteil" vom Ziel eines stabilen, multiethnischen Staates, sagte Jung.

Brisanz Marieluise Beck (Grüne) warnte davor, dass es im gesamten Westbalkan "mehr Brisanz und Sprengstoff" gebe als hierzulande wahrgenommen werde. Serbien stelle sich als stabil dar, seine innere Verfassung passe aber nicht zum Wertekanon der EU. Mazedonien sei im "Würgegriff einer Clanstruktur", Bosnien-=Herzegowina wiederum leide an einem "dysfunktionalen Staatsaufbau" und einer "besorgniserregenden Agonie". Über allem schwebe das "Damoklesschwert ethnisch homogener Phantasien", die die Region in Flammen setzen könnten. Hinzu komme, dass Russland "als Player" offensiv mitmische. Es gebe auf dem Balkan wieder "tektonische Verhältnisse" wie zu Beginn des Ersten Weltkriegs, sagte Beck.