Piwik Webtracking Image

EUROvision song contest : Twelve Points for Serbia!

Politisch tüchtig zerstritten, halten die Balkan-Ländern beim europäischen Liederwettbewerb Jahr für Jahr eisern zusammen

11.09.2017
2023-08-30T12:32:26.7200Z
4 Min

Der letzte Seufzer der jugoslawischen Sezession liegt gut ein Vierteljahrhundert zurück: Das Kernland des Balkans war seit den 1950er Jahren Teil der TV-Senderkette "European Broadcasting Union", war also am Netzwerk des eurovisionären Bilder- und Tonaustauschs beteiligt. Und durfte deshalb am Eurovision Song Contest teilnehmen: 1961 debütierte man - und erreichte nie wirklich gloriose Platzierungen. Bis auf 1989, im schweizerischen Lausanne siegte die Band Riva mit dem Titel "Rock Me", der heute nur noch Experten bekannt ist, aber durch eine gewisse Munterkeit zum ersten und letzten jugoslawischen Sieg beim ESC beitrug.

Drei Jahre später hatte das Jugoslawische als Länderbund ein Ende. Eine Sängerin namens Extra Nena trat noch für Jugoslawien an, aber ihrer Delegation fehlte schon das Geld, um mit eigenem Dirigenten nach Malmö zum 37. Eurovision Song Contest zu reisen. Nach einem politischen Bann trat 2004 trat man erstmals wieder an, und zwar unter dem Namen Serbien und Montenegro an - und holte gleich den zweiten Rang durch den auf dem Balkan populären Sänger Zeljko Joksimovic mit seinem Lied "Lane moje".

Den zweiten Sieg schaffte ein Act aus diesem Teil Europas im Jahr 2007. In Helsinki gewann die Serbin Marija Serifovic mit der Hymne "Molitva" ("Gebet") überlegen vor allen anderen Beiträgen. Das war ein Zeichen auch insofern, als Serbien erstmals ohne das nun unabhängige Montenegro ins Rennen ging. Serifovic war in ihrer Heimat freilich keine besonders populäre Siegerin - sie, die wuchtig gebaute Sängerin, bediente kaum das Klischee der schlanken jugoslawischen Frau mit gewissem Sexappeal. Im Jahr darauf, 2008, war Belgrad ein eher erschöpfter Gastgeber des ESC, die serbische Haupstadt wusste mit dem 10.000köpfigen ESC-Tross im Mai 2008 kaum etwas anzufangen: Man war auf Europafreundlichkeit noch nicht eingestellt.

Dafür mehr aufeinander: Dass in den zwei Wochen, wenn bis zu vier Dutzend Länder an einem Ort in der Eurovisionszone - von Baku bis Lissabon, von Helsinki bis Jerusalem - zusammenkommen, immer eine gewisse Spannung in der Luft liegt, versteht sich von selbst: Es ist ja auch ein Wettbewerb. Aber bei den Ländern des früheren Jugoslawien ist das irgendwie anders: Jahr für Jahr, seit 1993, auch seit Serbien wieder mit im Spiel ist, sehen alle anderen, was Kroatien, Serbien, Mazedonier, Montenegriner, Bosnier und Herzegowiner und Slowenien leben - eine alte jugoslawische Verbundenheit nämlich.

Sie alle geben einander bei der Punktevergabe in der Regel regionale Bonuspunkte, sozusagen Nachbarschaftsfreundschaftsgaben. Okay, eine gewisse musikalische Qualität muss gegeben sein, sonst ignoriert man sich weitgehend. Die Serbin Marija Serifovic hat ja nicht gewonnen, weil ihr von Kroatien und den anderen Ländern der einstigen jugoslawischen Förderation so viel zählbare Sympathien übermittelt wurden, die meisten anderen Eurovisionsteilnehmer erhörten das "Molitva" der stimmstarken Sängerin ja auch. Aber wenn die Eurovisionsprobentage laufen, hocken sie alle beieinander.

Sichtbarster und hörbarster Ausdruck ist der genannte Komponist, Texter und Sänger Zeljko Joksimovic, der 2004 für Serbien und Montenegro den zweiten Platz schaffte. Er komponierte auch für Bosnien und Herzegowina einen ESC-Act, der vorzüglich abschnitt (2006), war für Serbien abermals am Start und hat Länder wie Kroatien und Mazedonien kollegial bei deren Eurovisionsauftritten beraten und unterstützt. Letztlich ist der Pop- und Entertainmentmarkt von Ljubljana bis Skopje nach wie vor eine Region - alle kennen sich aus langjährigen Kooperationen.

Wobei die entscheidende Größe in diesem Teil Europas nicht Serbien ist - eher Kroatien. Aber sie alle - ihre öffentlich-rechtlichen TV-Sender, und nur diese können Beiträge zum ESC schicken - leiden unter akuten Finanznöten. Bosnien-Herzegowina nimmt momentan nicht mehr am ESC teil, Kroatien und Serbien müssen sich dies Jahr für Jahr überlegen, ob sie sich nicht nur eine Teilnahme leisten können - sondern auch die Verpflichtung eingehen, im Falle eines Sieges das teure Projekt (24 Millionen Euro) auch als Gastgeber ins Land zu holen.

Zudem sind Kroatien und Slowenien ja inzwischen Mitglieder der EU - ihre Grenzen zum restlichen Teil des früheren Jugoslawien sind dicht, die Märkte stärker denn je getrennt. Die alte, durch jugotypische Folklore geprägte Kultur büßt allmählich an Kraft ein. Sie binden nicht mehr, die Klänge, die sich nach Balkan anhören. Wobei Slowenien ohnehin - wie schon als Teil Jugoslawiens - eine Sonderrolle spielt. In Ljubljana fühlte man sich stets durch das serbische Belgrad übersehen. Dort orientiert man sich an Brüssel, nicht mehr an den ökonomisch und kulturell eher rückständigen Teilen, die zu Serbien zählen. Und doch: Beim ESC nächstes Jahr wird man wieder auf Parties gemeinsam feiern. Ob andere Länder mitmachen dürfen, wenn sie nicht auf dem Balkan liegen? Könnte gut sein - sie müssten nur von diesen kulturellen Wiedervereinigungen hören: Dann wird man sie nicht draußen vor der Tür stehen lassen.