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EDITORIAL : Zufrieden voller Sorge

23.01.2017
2023-08-30T12:32:14.7200Z
2 Min

Die Nation ist zufrieden. Werden die Menschen aufgefordert, ihre persönlichen Lebensumstände einzuordnen, geben nach aktuellen Umfragen überdurchschnittlich viele an, sie fühlten sich wohl. Geht es freilich um die politische Situation, in der sich die Welt befindet, wendet sich das Blatt: Angst vor Krieg und Terror bestimmen dann die Antworten. In die Sorge um die Zukunft mischt sich ein selten konkretes, diffus formuliertes Gefühl, dass die Politik die Lösungen für die aktuellen Probleme nicht liefern könne.

Ein idealer Nährboden für Populismus: Schon die Botschaft, diese Befürchtungen zu teilen, reicht aus, um im Wahlvolk Zuspruch zu erfahren. Konstruktive Vorschläge sind überflüssig, ja sogar kontraproduktiv. Wer Lösungen anbietet, positioniert sich in einem Wettbewerb mit anderen Parteien. Wer aber einfach nur immer dagegen ist, vermittelt, dass der bestehende Staatsapparat nicht in der Lage sei, die Probleme des Landes zu bewältigen; die Systemfrage ist gestellt.

In diesem Klima ist es eine Herausforderung, Politik zu machen, die nicht von vornherein im Verdacht steht, auf derartige Befindlichkeiten zu reagieren - zumal in einem Wahljahr. Der Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt hat eklatante Sicherheitslücken offenbart. Darauf hat die Bundesregierung schnell reagiert; Innen- und Justizminister haben ein Paket von Maßnahmen vorgelegt, das jetzt parlamentarisch zu beraten ist.

Einerseits erscheinen schärfere Möglichkeiten zur Registrierung und Überwachung potenzieller Terroristen unabdingbar. Andererseits setzen die Spielregeln in einem freiheitlichen Rechtsstaat der Kontrolle Grenzen. Beispiel elektronische Fußfessel: Mit dieser Methode würde der Staat tief in das Leben eines sogenannten Gefährders eingreifen, nur weil der im Verdacht steht, möglicherweise straffällig zu werden. Oder plakativer formuliert: Die Fußfessel bestraft ein Verbrechen, das noch gar nicht begangen worden ist - und vielleicht auch nie begangen werden wird. Wie das politisch einzuordnen und juristisch zu bewerten ist, darf gespannt erwartet werden (s. auch Seite 2).

Offensichtlich ist es notwendig, der Terrorgefahr entschiedener zu begegnen. Wenn es dafür neuer, weitreichenderer Methoden bedarf, zeigt das zuvorderst, wie hilfreich es wäre, die vorhandenen Möglichkeiten zur Überwachung und Abschiebung konsequent auszuschöpfen.