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Cum/Ex-Ausschuss : Bundesfinanzhof behinderte offenbar frühere Lösung

Untersuchungsgremium beginnt, politische Ebene zu beleuchten. Ex-WestLB-Vorstände verweigern Aussage

23.01.2017
2023-08-30T12:32:14.7200Z
4 Min

Der Cum/Ex-Ausschuss ist bei der Aufarbeitung der Hintergründe der Aktiengeschäfte um den Dividendenstichtag, bei denen der Fiskus bis 2012 eine nur einmal abgeführte Steuer mehrfach erstattete, auf der politischen Ebene angekommen. Am Donnerstag befragte das Gremium mit Axel Nawrath und Jörg Asmussen zwei Ex-Staatssekretäre im Bundesfinanzministerium. Beide erklärten, dass aufgrund der Rechtssprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) mehrere Versuche nötig waren, um den vom Ministerium schon immer als illegal eingestuften Transaktionen endgültig einen Riegel vorzuschieben.

Nawrath, von 2006 bis 2009 als Staatssekretär unter anderem zuständig für Steuern, sagte aus, er habe mit dem Begriff Cum/Ex zunächst nicht viel anfangen können. Das Problem der mehrfach ausgestellten Steuerbescheinigungen zu Lasten des Fiskus sei allerdings bekannt gewesen und sei auch mit dem Jahressteuergesetz 2007 aufgegriffen worden. Damals sei versucht worden, eine Lösung für die unbefriedigenden Urteile des BFH mit Blick auf die Frage des Eigentums zu finden. Mit dem Jahressteuergesetz habe man eine technische Lösung dagegen setzen wollen, ohne die Frage des Eigentums neu zu deuten. Zur nachträglichen Kritik an dem Gesetz sagte Nawrath, es habe während des Gesetzgebungsverfahrens zu keiner Zeit Hinweise oder Bedenken gegeben, dass damit Cum/Ex-Geschäfte nicht völlig unterbunden werden könnten. "Hätten wir das gewusst, hätten wir was anderes gemacht." Trotzdem seien jene, die geglaubt hätten, das Gesetz ermuntere solche Deals, heute strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Das Verhältnis zum BFH war laut Nawrath getrübt. Jedes Mal, wenn ein Gesetz gemacht worden sei, habe der BFH es ausgehebelt.

Asmussen kam nach eigenen Angaben beruflich 2009 das erste Mal mit dem Thema in Berührung. Anlass sei das BMF-Schreiben von 2009 zur Steuergestaltung bei Leerverkäufen gewesen, sagte er vor dem Ausschuss. Mit dem Schreiben war die Berufsträgerbescheinigung eingeführt worden, um die Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden, was letztlich erst mit dem OGAW-IV-Umsetzungsgesetz klappte. Das Schreiben sei aber nicht in seine Zuständigkeit gefallen, denn dafür sei die Steuerabteilung zuständig gewesen. "Für mich ist das Ganze ein Steuerthema", sagte er, und dafür sei er nie zuständig gewesen.

Asmussen war von 2008 bis 2011 Staatssekretär unter Peer Steinbrück (SPD) und unter Wolfgang Schäuble (CDU) und unter anderen für die Finanzmarktpolitik zuständig. Berichte über Steuerausfälle in Milliardenhöhe durch Cum/Ex-Transaktionen wollte er nicht kommentieren. Seines Wissens gebe es keine gesicherten Zahlen aus der Steuerverwaltung und dem BMF in diesem Zusammenhang.

Hans-Jörg Vetter, bis November 2016 Vorstandsvorsitzender der baden-württembergischen Landesbank LBBW, gab zu Protokoll, dass die Bank von 2007 bis 2009 Cum/Ex-Geschäfte gemacht habe. Vetter hatte das Kreditinstitut 2009 mitten in der Finanzkrise übernommen und es erfolgreich saniert. Von dem Thema habe er erstmals Mitte 2009 erfahren, und ab diesem Zeitpunkt habe es keine derartigen Geschäfte mehr gegeben. Ein Jahr später habe es dann auf der Agenda gestanden, und es seien Gutachten beauftragt worden. Anfang 2013 habe er die Vorgänge erneut überprüfen lassen. Die dabei gewonnen Erkenntnisse seien an die Staatsanwaltschaft und die Finanzbehörden gemeldet worden. Zudem seien 150 Millionen Euro Körperschaftsteuer nachbezahlt worden. Zurzeit laufe ein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der Bank.

Zuvor hatte der Ausschuss den früheren Leiter des Aktieneigenhandels der WestLB Markus Bolder vernommen. Bolder, der 2007 aus der Bank ausgeschieden war, sagte aus, dass Cum/Ex-Geschäfte, wie sie in der Presse dargestellt würden, seines Wissens in der WestLB nicht getätigt worden sein. Das Thema Dividendenstripping sei ihm allerdings bekannt gewesen, da die Bank schon im Jahr 2000 Arbitrage-Geschäfte ausgeführt habe. Dass dabei Steuerbescheide doppelt ausgestellt worden seien, sei im Handel nicht bekannt gewesen. Solche Geschäfte wären auch nicht genehmigt worden.

Der ebenfalls als Zeuge geladene Werner Taiber, von 2006 bis 2012 Mitglied des Vorstands der WestLB, machte von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch. Sein Anwalt verwies zur Begründung auf ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen mehrere Vorstände der Bank im Zusammenhang mit den Cum/Ex-Geschäften. Auf der Sitzung am Montag hatte bereits Ex-WestLB-Vorstand Hans-Jürgen Niehaus aus demselben Grund von seinem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Der ebenfalls als Zeuge geladene Helmut Linssen, von 2005 bis 2010 Finanzminister von Nordrhein-Westfalen und damit als Mitglied des Aufsichtsrates auch mitverantwortlich für die WestLB, schloss im Verlaufe seiner Vernehmung mehrfach aus, dass die frühere NRW-Landesbank zu seiner Amtszeit in Cum/Ex-Geschäfte verwickelt gewesen sei.

Am Montag hatte der Ausschuss außerdem den Steuerexperten Roman Seer, Inhaber des Lehrstuhls für Steuerrecht an der Ruhr-Universität Bochum, vernommen. Der Professor vertrat vor den Abgeordneten die Meinung, dass die Cum/Ex-Geschäfte auch weiterhin steuerrechtlich umstritten seien. Der Gesetzgeber habe selbst nicht klargestellt, wie Leerverkäufe bei Cum/Ex zu behandeln seien, sagte Seer.