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23.01.2017
2023-08-30T12:32:14.7200Z
2 Min

Nun, Kammerzofen und Butler tauchen nicht wieder auf. Sie standen einst symbolisch für die Zustände im herrschaftlichen Haushalt, in dem sich Großbürger und Aristokraten für wenig Geld ein angenehmes Privatleben verschafften. Zur Flucht aus dieser feudalen Welt verhalf der Wirtschaftsboom in den 1950er- und 60er-Jahren, der besser bezahlte Jobs in Fabriken und Büros offerierte. Zu glauben, das Dienen habe sich damit erledigt, sollte sich freilich als Irrtum erweisen: Brillant geschrieben und faktenreich untermauert schildert Christoph Bartmann die Renaissance des Servicepersonals. Heute handelt es sich um Pflegekräfte, um Wäschelieferanten, um Pizza- und Dönerboten, um Putzpersonal, um Gärtner, um Cateringservice, um Baby- oder Hundesitter - wobei die Helfer bei Bedarf bestellt werden.

Bartmann, der in New York und jetzt in Warschau als Chef der dortigen Goethe-Institute Erfahrungen mit dem Comeback der Diener sammelte, seziert scharfsinnig die soziale Spaltung der Gesellschaft als Ursache dieses Trends. Heute existiert eine arrivierte Mittelschicht, die es sich leisten kann, lästige Tätigkeiten Außenstehenden aufzubürden. Andererseits wuchs im Gefolge der Massenerwerbslosigkeit die Zahl derer, die auf meist schlecht vergütete haushaltsnahe Jobs angewiesen sind. In den USA stützen sich Wohlhabende oft auf Menschen aus Lateinamerika, hierzulande greift man gern auf Osteuropäer zurück.

Anders als Bartmanns Analyse muten die Vorschläge zur Überwindung des "Dienstleistungsübels" wenig überzeugend an. Im Kern appelliert er an die Betuchten so zu leben, dass Personal überflüssig wird, und empfiehlt "Askese am Servicebüfett". Er spottet über jene, die nur ökologisch zertifizierte Getränke ordern, es aber normal finden, die Kisten von Lieferanten bis unters Dach tragen zu lassen. Nötig hätten die Diener vor allem eine höhere Entlohnung und bessere Arbeitszeiten. Doch einer "Vergewerkschaftlichung" des Sektors steht Bartmann merkwürdigerweise reserviert gegenüber.