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Bundestag : Auf Sparflamme

Statt mehr als 20 werden zunächst nur drei Ausschüsse die Arbeit des Parlaments gewährleisten

27.11.2017
2023-08-30T12:32:30.7200Z
4 Min

Wer in der Kantine des Jakob-Kaiser-Hauses Mittag essen will, braucht Geduld. Das war in der letzten Legislaturperiode bei vollem parlamentarischem Betrieb so und das ist derzeit nicht anders. Doch das tägliche Gedränge täuscht darüber hinweg, dass das eigentliche Kerngeschäft des Bundestages momentan noch auf Sparflamme läuft. 22 reguläre Ausschüsse setzte der Bundestag in der 18. Legislaturperiode, entsprechend der Zuschnitte der Ministerien, ein. Später kam noch der Ausschuss Digitale Agenda hinzu. Im 19. Deutschen Bundestag sind es bisher: drei.

Nach dem Platzen der Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen ist derzeit nicht absehbar, wann eine Regierungsbildung in welcher Konstellation stattfindet. Somit bleibt auch die Frage offen, ob die Ministerien ihre derzeitigen Zuständigkeiten behalten oder sich an ihren Zuschnitten etwas ändert. Bisher war es parlamentarische Gepflogenheit, auf die Regierungsbildung Rücksicht zu nehmen und die Fachausschüsse erst danach einzusetzen. Doch mit schwierigeren und damit länger andauernden Sondierungs- oder Koalitionsverhandlungen mehren sich unter den Abgeordneten jene Stimmen, die vom Bundestag mehr Unabhängigkeit in dieser Frage fordern. Denn er muss theoretisch bei der Bildung seiner Ausschüsse nicht auf die Regierung Rücksicht nehmen.

Bei der Abstimmung über die Einsetzung eines sogenannten Hauptausschusses und zwei weiterer Gremien in der vergangenen Woche konnte sich die Fraktion Die Linke mit ihrem Antrag (19/78), sofort alle regulären Ausschüsse einzusetzen, zwar nicht durchsetzen. Die Debatte der Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen am vergangenen Dienstag zeigte jedoch, dass grundsätzlich auch die anderen Fraktionen der Meinung sind, man könne die Parlamentsarbeit nicht für längere Zeit über einen Hauptausschuss organisieren. Dieser ersetze die übrigen Ausschüsse nur für eine Übergangszeit, die überschaubar bleiben müsse, hieß es.

Es ist in der Geschichte des Bundestages überhaupt erst das zweite Mal, dass ein solcher Hauptausschuss eingesetzt wird. Seine Premiere erlebt er vor vier Jahren, als sich die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD ebenfalls in die Länge zogen. Da der Bundestag aber dennoch handlungsfähig sein musste, konstituierte sich wenigstens der Hauptausschuss. Die Linke kritisierte damals den "Schwebezustand" des Parlaments und die Grünen sprachen gar vom Versuch, das Parlament "kaltzustellen".

Zweifel an Effizienz Vier Jahre danach ist das Unbehagen über den Hauptausschuss, das zeigt deren Antrag, vor allem bei den Linken groß. Obwohl im Gegensatz zu 2013 auf Antrag (19/85) aller übrigen Fraktionen zusätzlich zu diesem Super-Ausschuss noch die Einsetzung des Petitionsausschusses und des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung beschlossen wurde.

"Wenn eine kommissarische Bundesregierung logischerweise politisch nur eingeschränkt handlungsfähig ist, dann ist es von entscheidender Bedeutung, dass das Parlament voll und ganz handlungsfähig ist", betonte Jan Korte (Die Linke). Er bezweifelte, dass der Hauptausschuss mit seinen 47 Mitgliedern effizient die Arbeit des gesamten Bundestages erledigen könne. Man könne ohne Probleme die Ausschüsse schon heute einsetzen und nach erfolgter Regierungsbildung anpassen, so die Überzeugung des Linken.

Die Unionsfraktion kritisierte den Vorschlag der Linken dagegen als ineffizient. 22 Ausschüsse für einen Übergangszeitraum einzusetzen, sei wenig sinnvoll, sagte Michael Grosse-Bröhmer (CDU). "Wir glauben, wenn man mit einem Hauptausschuss die gleiche Wirkung erreichen und die gleiche Arbeit effizienter schaffen kann, dann sollten wir diesen auch einsetzen", lautete seine Begründung.

Für die FDP-Fraktion ist der Hauptausschuss ein "sachgemäßes Instrument, um vollumfänglich in allen Themenbereichen vertieft beraten zu können", zeigte sich Marco Buschmann überzeugt. Voraussetzung sei aber, dass eine erfolgreiche Regierungsbildung absehbar sei. "Was nicht gehen wird, ist, dass hier über fünf, sechs, sieben oder sonst wie viele Monate mit diesem Provisorium gearbeitet wird", betonte Buschmann.

Kurzfristige Lösung Auch die SPD-Fraktion stellte klar, dass im Fall einer nicht absehbaren Regierungsbildung über die Einsetzung der Fachausschüsse diskutiert werden müsse. Carsten Schneider kündigte für diesen Fall an, "unverzüglich einen Einsetzungsbeschluss zu fassen, damit wir diesen Bundestag voll in die Gänge bringen". Alles andere sei nur eine kurzfristige Lösung, sagte er. Tatsächlich beendet der Hauptausschuss seine Arbeit, sobald die regulären Fachausschüsse eingesetzt werden.

Aus Sicht der AfD-Fraktion müsse die "Zeit parlamentarischer Rücksichtnahme angesichts der Bildung einer Regierung begrenzt sein", betonte Bernd Baumann. Sollte sich in den kommenden Wochen zeigen, dass "plötzlich sehr wichtige Gesetzesvorhaben einfach durchgewunken werden sollen", dann behalte sich seine Fraktion vor, die nötigen Fachausschüsse umgehend einzufordern, sagte Baumann.

Britta Haßelmann äußerte für ihre Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, Sympathie für den Linken-Antrag, denn der Hauptausschuss sei kein Ersatz für die Fachausschüsse. Immerhin habe man es aber erreicht, dass zusätzlich der Petitions- und der Geschäftsordnungsausschuss eingesetzt werden. Das sei ein gutes, schrittweises Verfahren, so Haßelmann.

Alle drei Ausschüsse konstituierten sich daraufhin am vergangenen Mittwoch. Der Hauptausschuss unter Vorsitz von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wird nun in den kommenden Wochen unter anderem über die Mandatsverlängerungen für die Auslandseinsätze der Bundeswehr beraten.

Der Geschäftsordnungsausschuss, den zunächst Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich (CSU) leitet, fällte bereits seine ersten Entscheidungen: Er hob die Immunität zweier Abgeordneter aus Rheinland-Pfalz auf (Peter Bleser, CDU und Marcus Held, SPD), gegen die wegen des Verdachts auf Untreue beziehungsweise Verstoßes gegen das Parteiengesetz ermittelt wird. Und über zu wenige Petitionen kann sich der namensgebende Ausschuss unter Vorsitz von Thomas Oppermann (SPD) auch nicht beklagen.