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Flüchtlinge : Empörte Reaktionen auf AfD-Antrag zu Syrern

Breite Kritik an Ruf nach Rückkehr-Abkommen

27.11.2017
2023-08-30T12:32:30.7200Z
4 Min

Direkt nach der ersten Bundestagsdebatte der neuen Legislaturperiode über die Arbeitsmigration nach Deutschland (Beitrag links) befasste sich das Parlament vergangene Woche mit der Flüchtlingspolitik, konkret: mit dem Antrag der AfD für ein "Abkommen zur Förderung der Rückkehr syrischer Flüchtlinge" (19/48). Die Vorlage stand damit als erster innenpolitischer Antrag der neuen Fraktion zur Debatte, wie Stephan Mayer (CSU) vermerkte, der den Antrag als "populistisch, weltfremd, abwegig" und "zynisch" verurteilte. Nicht anders klang das Verdikt von SPD, FDP, Linken und Grünen: "An Zynismus schwer zu überbieten" fand Josip Juratovic (SPD) die Vorlage, Stephan Thomae (FDP) bescheinigte ihr "Zynismus und Heuchelei", Ulla Jelpke (Linke) nannte sie "abscheulich" und Luise Amtsberg (Grüne) "schäbig".

In dem Antrag fordert die AfD die Bundesregierung auf, "unverzüglich mit der syrischen Regierung in Verhandlungen über ein Rückkehrabkommen für die Syrer einzutreten, die als Schutzsuchende in Deutschland aufgenommen wurden". Das Abkommen solle sicherstellen, dass Rückkehrer "unbeschadet wieder nach Syrien einreisen können und in die Gebiete aufgenommen werden, die befriedet sind", dass "ihre humanitäre Versorgung gesichert ist, dass zur Förderung der Rückkehrbereitschaft Anreize in Form von Start- und Aufbauhilfen für freiwillige Rückkehrer gewährt werden" und "die Rückreise sicher und kostenfrei ist". Ferner solle sichergestellt werden, "dass die Rückkehrer wegen ihres Aufenthalts in Deutschland und eventuell gegen die Regierung gerichteter Aktivitäten vor und während ihrer Flucht beziehungsweise wegen Straftaten gegen die Pflicht zum Militärdienst nicht verfolgt werden".

Bernd Baumann (AfD) begründete den Vorstoß in der Debatte damit, dass sich die Sicherheitslage in großen Teilen Syriens verbessert habe und es "nur noch an einigen Orten" Bürgerkriegskämpfe gebe. Nach UN-Angaben seien 2017 bereits "viele Hunderttausend Syrer" in ihre Heimat zurückgekehrt. Baumann hob zudem hervor, dass Deutschland in das Bürgerkriegsland Afghanistan "Menschen im Moment sogar zwangsweise" abschiebe. Mit ihrem Antrag wolle die AfD "zunächst freiwilligen Rückkehrwilligen nach Syrien sichere Wege in sichere Gebiete ebnen, die es in Syrien wie in Afghanistan" gebe. Dies sei auch eine Chance, die "katastrophale Grenzöffnungspolitik der Regierung Merkel zumindest ein Stück weit zu korrigieren".

»Abwegig« CSU-Mann Mayer nannte es dagegen "vollkommen abwegig, zum jetzigen Zeitpunkt Rückführungen nach Syrien durchzuführen". Natürlich sei die Union der Auffassung, dass "der Flüchtlingsstatus nur so lange anerkannt wird, solange der Fluchtgrund tatsächlich auch gegeben ist", doch tobe in Syrien nach wie vor die "größte humanitäre Katastrophe auf unserem Globus". Stephan Harbarth (CDU) bekräftigte, auch für Syrien gelte, dass Flüchtlingsschutz "Schutz auf Zeit" sei. Im jüngsten Bericht des UN-Generalsekretärs zu Syrien von Ende Oktober werde jedoch festgestellt, dass es in zahlreichen Regionen zu militärischen Auseinandersetzungen komme. Dennoch wolle die AfD, dass Deutschland ein Abkommen mit einem Regime aushandelt, "das nicht nur seine Gegner, sondern zugleich wehrlose Kinder mit Giftgas erstickt".

Auch der Freidemokrat Thomae betonte, Kriegsflüchtlinge müssten "irgendwann in ihre Heimat zurück - wenn der Krieg vorbei ist". Die AfD wolle indes "die Menschen in den Kugelhagel zurückschicken". Dabei habe der UN-Nothilfekoordinator Ende Oktober "festgestellt, dass die Auswirkungen der Syrien-Krise weiterhin tiefgreifend sind: 13 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, 6,1 Millionen Binnenflüchtlinge sind in Syrien zu verzeichnen".

Amtsberg kritisierte, der AfD gehe es einzig um "weniger Geflüchtete in Deutschland, egal zu welchem Preis". Die Grünen-Abgeordnete warf der AfD vor, sich auf Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zu berufen und von mehr als 600.000 freiwillig zurückgekehrten Menschen zu sprechen, aber bewusst auszusparen, "dass es sich dabei zu über 90 Prozent um Menschen handelt, die innerhalb Syriens vertrieben wurden". Auch erwähne die AfD nicht die Zahlen der UN, "die allein in diesem Jahr schon von über 1,8 Millionen neu vertriebenen Menschen sprechen".

Ohne Wasser Für Die Linke beklagte Jelpke, 41 Prozent der Zurückgekehrten hätten weder Trinkwasser noch Wohnraum oder Energie. Auch zeige die IOM-Studie, dass allein im ersten Halbjahr 2017 innerhalb des Landes 800.000 Menschen vertrieben worden seien. Ziel der AfD sei, "Flüchtlinge in Deutschland zu verunsichern und, vor allen Dingen, sie schnellstmöglich loszuwerden".

Der Sozialdemokrat Juratovic hielt der AfD ebenfalls vor, "diese Menschen schlicht loswerden" zu wollen, "egal, ob sie ihre Rückkehr überleben oder nicht". "Sie wollen allen Ernstes ein Abkommen mit dem syrischen Diktator Assad abschließen", fragte Juratovic an die AfD gerichtet und erinnerte daran, dass dessen Regime "mit aller Brutalität" gegen seine Bürger vorgehe. Er verwies darauf, dass 600.000 Rückkehrer nur fünf Prozent von zwölf Millionen geflüchteten Syrern seien; auch sei die Rückkehr der Syrer laut IOM-Bericht "nicht unbedingt freiwillig" und nicht sicher: "Viele der Rückkehrer mussten danach erneut fliehen". Die AfD habe entweder "keine Ahnung in der Sache" oder sei "bereit, über Leichen zu gehen".