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Parlamentarisches Profil : Der Fraktionsmanager: Jan Korte

27.11.2017
2023-08-30T12:32:30.7200Z
3 Min

Mögen andere behaupten, was sie wollen: "Ich hatte damit nicht gerechnet." Dass die Liberalen ihren Jamaika-Kontrahenten Knall auf Fall die Brocken vor die Füße schmeißen würden, habe ihn, sagt Jan Korte, "völlig überrascht". Wenn auch von einer unliebsamen Überraschung in diesem Fall kaum die Rede sein kann. "Wilde politische Zeiten" sind ganz nach dem Geschmack des im Oktober frischgebackenen Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers der Linksfraktion im Bundestag: "Es müsste jetzt eigentlich die Stunde des Parlaments sein."

Bereits als Schüler im niedersächsischen Georgsmarienhütte entdeckte der heute 40-Jährige die Leidenschaft fürs Angeln. Ein Hobby, dem er treu geblieben ist, und das ihn hin und wieder nach Dänemark führt. Dort gehören Minderheitsregierungen zum politischen Alltag, und auch hierzulande sähe Korte in einer solchen Konstellation die "Chance, das Ansehen der Politik insgesamt aufzufrischen". Befreit von den "Zwangsläufigkeiten" des starren Gegeneinanders von Koalition und Opposition hätte der Bundestag Gelegenheit, mehr Entscheidungen "selber in die Hand zu nehmen". Die Abgeordneten müssten "viel mehr über Inhalte diskutieren". Wäre das in einer Zeit der "Krise des parlamentarischen Systems", in der "ein Großteil der Menschen sich davon komplett abwendet", wirklich ein Schaden?

Ohnehin ist die geplatzte Jamaika-Vision nichts, worum sich der Linke Korte sonderlich grämt: "Politisch gerechtfertigt war dieses Scheitern." Wesentliches, was ihm am Herzen liegt, habe in den Verhandlungen keine Rolle gespielt: die Kluft zwischen Arm und Reich, mehr Umverteilung etwa durch Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Situation in Ostdeutschland. Gerechtigkeitsthemen, die bereits den Gymnasiasten vor Jahrzehnten in die Politik getrieben haben.

Eine familiäre Vorbelastung kam hinzu. Der Vater machte in Georgsmarienhütte, einer Kleinstadt mit 35.000 Einwohnern bei Osnabrück, Kommunalpolitik als Sozialdemokrat. Der Sohn fand damit den Weg in die SPD für sich versperrt. Er trat den Grünen bei, saß mit 18 im Stadtrat, ein Jahr später bereits als Fraktionschef. Mit 22 kehrte er der Partei den Rücken. Es war Ende 1999, ein halbes Jahr nach dem legendären Bielefelder Farbbeutel-Parteitag, auf dem sich die Grünen, ihrem Außenminister Joschka Fischer folgend, durchgerungen hatten, der deutschen Beteiligung am Kosovo-Krieg zuzustimmen. Damals fand Korte nach langem Abwägen seine pazifistischen Ideale in der PDS besser aufgehoben - "wohl wissend, was das damals bedeutete" für einen West-Linken in der ostdeutschen Volkspartei: "Nicht alle haben gesagt: schlaue Entscheidung."

Korte hat sie nicht bereut. Er erinnert sich der Jahre als Gründer der PDS-Hochschulgruppe an der Universität Hannover und als Kreisverbandschef in der niedersächsischen Landeshauptstadt als einer "ganz tollen Zeit". Die jungen Leute im Westen erregten bald auch das Interesse ostdeutscher PDS-Granden. Und so erlöste das Wahljahr 2005, in dem die Linkspartei entstand, Korte nicht nur von seinem Diaspora-Dasein als Wessi in der PDS. Es eröffnete mit dem Angebot einer Bundestagskandidatur in Sachsen-Anhalt auch eine politische Perspektive.

In der vierten Legislaturperiode vertritt Korte den Wahlkreis Anhalt, der sich von Elbe und Magdeburger Börde in südlicher Richtung bis Bitterfeld erstreckt, und in dem er - "ich habe da tolle Leute kennengelernt" - mittlerweile nicht nur politisch beheimatet ist. Klappert von Berlin aus regelmäßig vier Wahlkreisbüros ab, frequentiert die Wochenmärkte "Da wirst du angequatscht."

Zwölf Jahre gehörte Korte dem Bundestag-Innenausschuss an, war seit 2013 Fraktionsvize, kümmerte sich um Bürgerrechte, Datenschutz, Geschichtspolitik und Gedenkkultur. "Antikommunismus und NS-Vergangenheit in der frühen Bundesrepublik" lautete 2005 der Titel seiner politologischen Magisterabeit. Als PGF arbeitet er sich jetzt in die Techniken des Fraktionsmanagements ein: "Das ist etwas völlig anderes, gerade in diesen politischen Zeiten."