Inhalt

Fahrrad
Claudia Heine
Gefährliche Radwege

Michael Mundry fährt täglich 36 Kilometer

Ich fahre seit zehn Jahren jeden Tag vom Osten der Stadt, aus Lichtenberg, ganz in den Südwesten runter, nach Dahlem. Seitdem arbeite ich als Netzwerkadministrator an der Freien Universität Berlin. Ich fahre eher schnell, deshalb brauche ich für die rund 18 Kilometer nur 45 Minuten. Aber gestresst bin ich deshalb nicht. Viele Leute fühlen sich beim Radfahren im Stadtverkehr bedrängt. Aber mir ist es eigentlich ziemlich egal, was um mich herum passiert, ich wurschtele mich da eben so durch. Für mich ist es eher entspannend, weil ich den Kopf dadurch freikriege.

Fitness-Programm Außerdem mache ich sehr viel Sport. In diesem Jahr sind wir im Schottland-Urlaub 850 Kilometer an vier Tagen gefahren, mit Höhenunterschieden. Das war schon ziemlich gut. Außerdem spiele ich Bike-Polo. Die tägliche Radtour zur Arbeit ist also auch Teil meines Fitnessprogramms. Ich habe deshalb nie darüber nachgedacht, umzuziehen. Auch, weil meine Freunde und meine Familie im Nordosten der Stadt wohnen. In meinem WG-Zimmer hängen acht Räder an der Wand, an denen ich auch viel selber bastele und sie nachrüste.

Wenn ich zur Rush-Hour durch Berlin-Mitte fahre, was ich selten tue, dann merke ich schon, wie sehr der Verkehr insgesamt und auch die Zahl der Radler zugenommen hat in den vergangenen Jahren. Da gibt es oft schon richtige Fahrrad-Staus an den Ampeln. Ich finde es gut, wenn mehr Leute Rad fahren. Aber als schnellerer Radfahrer muss man dann auch oft hinter den nicht so schnellen warten.

Mit Autofahrern gerät man als Radfahrer schon relativ oft aneinander. Weniger beim Abbiegen, denn da ist man als Radler oft selber schuld, wenn man sich in gefährliche Situationen bringt. Meist geht es um zu enges Überholen durch die Autofahrer auf der Straße. Aber da hat sich bei mir mit den Jahren auch schon einiges verändert. Ich rege mich nicht mehr so schnell auf. Früher hatte ich das Bedürfnis, mit denen zu diskutieren. Aber das bringt nichts, weil man sich nur unnötig in Rage redet und die Autofahrer meist nicht verstehen wollen, dass ich als schwächerer Verkehrsteilnehmer in dem Moment so eine Art Schutz verdiene, den sie nicht einsehen.

Ich glaube schon, dass es frustrierend ist, sich im Berufsverkehr mit dem Auto durch die Stadt zu quälen. Aber alle sollten mal in die verschiedenen Rollen schlüpfen, um die Lage der anderen zu verstehen. Ab und zu fahre ich selber auch Auto, wenn ich mir über Car-Sharing eines miete und dadurch kann ich auch relativ gut nachvollziehen, wie die Situation für Autofahrer ist. Generell denke ich, dass der Zeitdruck das Hauptproblem der Leute ist, sie sind dadurch nicht entspannt genug.

Schlechte Sicht Gefährlicher, als auf der Straße zu fahren, finde ich teilweise das Fahren auf den Radwegen. Ich fahre wirklich lieber auf der Straße und wo das geht, mache ich das auch. Das ist für mich oft der sicherere Weg als die Radwege. Die sind ganz oft so gebaut, dass man von den Autos schlechter gesehen wird auch selber einen schlechteren Überblick hat. Das ist wirklich gefährlich. Außerdem sind sie oft so schmal, das kein Platz zum Ausweichen da ist. In Berlin gibt es viele Radwege, deren Nutzung ich Kindern oder älteren Menschen nicht empfehlen würde.

Wenn man einmal in Kopenhagen Fahrrad gefahren ist, weiß man, dass es um einiges besser geht als in Berlin. Die Idee einer Extraspur für Radler auf der Straße, vielleicht durch Poller abgetrennt, finde ich deshalb schon gut. Es sterben immer noch zu viele Radfahrer jedes Jahr im Straßenverkehr. Da sollten die politisch Verantwortlichen endlich mal mit Nachdruck rangehen. Bisher hatte ich nicht den Eindruck, dass das Priorität für die Verantwortlichen in den Bezirken hat. Aber vielleicht ändert sich das mit dem angekündigten Radgesetz ja tatsächlich.

Aus Politik und Zeitgeschichte

© 2023 Deutscher Bundestag