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agrar : Marktmacht

Anhörung zur Fusion von Bayer und Monsanto

02.07.2018
2023-08-30T12:34:31.7200Z
4 Min

Hunger und Armut, Vernichtung ganzer Ackerflächen, Artenschwund, Kleinbauern unter der Fuchtel einer unumschränkten Konzernherrschaft: Die Grünen sehen Schlimmes auf die Menschheit zukommen, und das mit dem Segen der EU-Kommission, die im vergangenen März die Fusion des deutschen Chemieriesen Bayer mit dem amerikanischen Saatgut- und Pestizidhersteller Monsanto genehmigt hat. Lässt sich derlei in Zukunft zuverlässig verhindern, lautete die Frage, die in einer öffentlichen Expertenanhörung den Wirtschaftsausschuss beschäftigte.

Die Grünen glauben einen Weg gefunden zu haben, nämlich durch einen Eingriff ins europäische Kartellrecht. Wenn die EU-Kommission künftig über die Genehmigung eines Firmenzusammenschlusses zu entscheiden habe, solle sie nach den Vorstellungen der Abgeordneten nicht mehr allein wirtschaftliche Aspekte in den Blick nehmen dürfen und den Kräfteverhältnisse auf dem jeweiligen Markt sowie dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage statt geben.

So steht es in einem Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen (19/1654), in dem die Bundesregierung unter anderem dazu aufgefordert wird, sich dafür einzusetzen, dass Umweltschutzaspekte wie Biodiversität, Ernährungssouveränität, Gesundheitsschutz und Versorgungssicherheit grundsätzlich im Rahmen von Fusionskontrollverfahren berücksichtigt werden. All diese für die Menschheit elementaren Güter seien durch die Marktdominanz eines Agrarkonzerns nicht weniger bedroht als der freie Wettbewerb.

"Marktkonzentration im Agrarmarkt stoppen - Artenvielfalt und Ernährungssouveränität erhalten" hatten die Grünen ihren Antrag überschrieben, und so war auch das Thema der Anhörung formuliert. Hier zeigte sich allerdings, dass die in der vergangenen Woche als Experten geladenen Juristen und Ökonomen einer Vermischung wettbewerblicher mit anderen Kriterien bei der Entscheidung über Firmenfusionen mehrheitlich nichts abgewinnen konnten. Die Warnung wurde laut, das Kartellrecht zu "überfrachten" und einer Fachbehörde eine über die eigene Kompetenz hinausreichende Interessensabwägung zuzumuten, die eigentlich auf die politische Ebene gehöre.

Warnung vor Überfrachtung Artikel 2 der europäischen Fusionskontrollverordnung sei glasklar, gab etwa der Düsseldorfer Rechtswissenschaftler Rupprecht Podszun zu bedenken. Hier sei als alleiniger Prüfmaßstab festgeschrieben, zu klären, ob ein Firmenzusammenschluss "erhebliche Behinderungen" eines "wirksamen Wettbewerbs" befürchten lasse. Es gehe also um das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, um nichts anderes. Dies auf europäischer Ebene mit anderen Zielen in Einklang zu bringen, sei "extrem schwer".

Für Podszun stellt sich die Frage, ob sich die "programmatischen Sätze" der europäischen Verträge, in denen allgemeine Grundprinzipien wie das Bekenntnis zu Nachhaltigkeit oder Umweltschutz formuliert sind, mit den "fein ziselierten" Kriterien der Fusionskontrolle überhaupt vereinbaren lassen. Zumindest bedürfe es "klarer Maßstäbe", um außerwirtschaftliche Gesichtspunkte in gerichtsfester Weise ins Kartellrecht zu integrieren: "Die sehen ich im Moment nicht", meinte Podszun. Vor einer "Überfrachtung" des Kartellrechts warnte auch der an der Berliner Humboldt-Universität lehrende Jurist Maik Wolf. Ein idealer Ausgleich zwischen wettbewerblichen und außerwettbewerblichen Aspekten sei in solchen Verfahren "kaum realistisch darstellbar".

Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, sprach sich dafür aus, die strikte Trennung juristischer und politischer Kompetenzen und Entscheidungsebenen im Kartellrecht beizubehalten. Diesem seien bereits jetzt wettbewerbsfremde Kriterien nicht ganz fremd. In den meisten Ländern kenne das Wettbewerbsregime auch "politische Ventile", in Deutschland etwa das Instrument der Ministererlaubnis, das eine Behördenentscheidung aushebeln könne. Ein solches Instrument sei aber auch nur auf Regierungsebene korrekt angesiedelt. Eine Fachbhörde sei mit einer solchen politischen Abwägung in jedem Fall überfordert, meinte Mundt. Der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap wies darauf hin, dass die Unternehmenskonzentration in Europa weit weniger fortgeschritten sei als etwa in den USA. Das lasse darauf schließen, dass das europäische Fusionkontollrecht in seiner herkömmlichen Form funktioniere "Ich habe großes Vertrauen in die Arbeit der EU-Kommission", sagte Haucap. Auch er warnte davor, Behördenenentscheidungen mit politischen Anliegen zu überlagern. Dies sei "weit entfernt von demokratischer Legitimation".

Abweichend von der Mehrheitsmeinung argumentierte der Frankfurter Wirschaftsanwalt Kim Manuel Künstner. Er machte geltend, dass in den europäischen Verträgen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU eine Ausnahmestellung zugewiesen sei. Als einziger Politikbereich genieße sie Vorrang vor allen anderen, auch vor dem Ziel eines ordnungsgemäßen Wettbewerbs. Dies habe der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung immer wieder bekräftigt. Mit der Bayer-Monsanto-Entscheidung habe die EU-Kommission den Vorrang der Agrarpolitik außer Acht gelassen.

Paradigmenwechsel im Pflanzenschutz Der Göttinger Agrarökonom Matin Qaim erinnerte an die Hintergründe der transatlantischen Firmenhochzeit. Seit zwei Jahrzehnten vollziehe sich im Pflanzenschutz ein Paradigmenwechsel, in dem die grüne Gentechnik eine immer bedeutendere Rolle spiele. Zunehmend setzten Forscher und Hersteller darauf, Pflanzensorten zu züchten, die von vornherein gehen Schädlingsbefall resistent seien. Dadurch erübrige sich in wachsendem Maße der Einsatz chemischer Herbizide und Insektizide. Einen Chemiekonzern wie Bayer könne eine solche Entwicklung natürlich nicht gleichgültig lassen, wenn er denn weiterhin auf dem Weltmarkt als Anbieter im Agrarsektor eine Rolle spielen wolle. Die Verbindung mit dem weltweit führenden Saatguthersteller Monsanto ermögliche daher dem Unternehmen eine sinnvolle Bündelung von Geschäftsfeldern und Kompetenzen.

Ohnehin habe die grüne Gentechnik in Deutschland einen schweren Stand und "leide" unter verbreiteter Ablehnung, klagte Qaim. Die öffentliche Akzeptanz neuer Technologien lasse zu wünschen übrig. Dies habe zur Folge, dass Pflanzenforschung ins Ausland abwandere. Die Stärkung des Bayer-Konzerns am Standort Deutschland sei nicht zuletzt mit Blick auf den Arbeitsmarkt zu begrüßen. Kritikern hielt Matin Qaim entgegen, dass Jahr für Jahr 95 Prozent der zehn Millionen Baumwollproduzenten in Indien sich für Produkte der grünen Gentechnik entschieden.

Haucap hob ebenfalls den wirtschaftlichen Nutzen der Bayer-Monsanto-Fusion als "Chance für den Standort Deutschland" hervor. Dazu zählte er auch, dass die Sparten, von denen Bayer sich im Zuge des EU-Verfahrens habe trennen müssen, von der Ludwigshafener BASF übernommen worden seien. So seien zwei deutsche Unternehmen der chemischen Industrie aus dem Prozess gestärkt hervorgegangen. Haucap wies zudem auf die Innovationspotenziale hin, die durch die Fusion freigesetzt werden könnten. Innovationsanreize zu setzen, sei in jedem kartellrechtlichen Prüfverfahren ein "ganz zentrales Element".