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Kurz REZENSIERT

15.10.2018
2023-08-30T12:34:36.7200Z
2 Min

Als die Polizei im Oktober dieses Jahres acht mutmaßliche Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppierung "Revolution Chemnitz" festnimmt, werden Erinnerungen an den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) wach. Doch aus Sicht der "Revolution Chemnitz" handelte es sich beim NSU nur um eine "Kindergartentruppe". Neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin ermordete die "Kindergartentruppe" Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zwischen 2000 und 2007, verübte drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Angesichts dieser Straftaten hätte die rassistische Motivation erkennbar sein können. Doch weit gefehlt. Der NSU wurde von den Strafverfolgungsbehörden über ein Jahrzehnt nicht entdeckt. Vielmehr lebten die Rechtsterroristen unter falschen Namen unerkannt mitten in Deutschland.

Der preisgekrönte Reporter Tanjev Schultz, der zurzeit an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Journalismus unterrichtet, zeichnet die Geschichte der NSU-Verbrechen detailliert nach. Für die "Süddeutsche Zeitung" hat er über fünf Jahre den NSU-Prozess beobachtet und Tausende Aktenseiten ausgewertet. Sein gut strukturiertes Buch überrascht und erschüttert zugleich: Geradezu unglaublich mutet die Tatsache an, dass ausgerechnet in Deutschland mit seiner Geschichte und seiner funktionierenden Staatsgewalt eine rechtsextremistische Terrorzelle so lange ihr Unwesen treiben konnte. Schultz vollzieht akribisch nach, wie oft die Polizei den Verbrechern dicht auf den Fersen war, letztlich aber immer der falschen Fährte folgte.

Obwohl immer wieder über die klammheimliche Unterstützung des NSU durch Polizei und Verfassungsschutz spekuliert wird, geht der Autor diesen Verschwörungstheorien in seinem informativen Buch nicht nach. Allerdings weist er nachdrücklich auf einen bei einigen Polizisten und V-Leuten tief verankerten Rassismus hin.