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Fall Amri : Zoff im U-Ausschuss

Abgeordnete beklagen Vertrauensbruch

15.10.2018
2023-08-30T12:34:36.7200Z
2 Min

Draußen vor der Tür übten die Beobachter sich in Geduld. Drinnen zankten die Abgeordneten ausdauernd mit dem Abgesandten der Bundesregierung. Als die Tür sich schließlich öffnete, fielen harte Worte. Von "Arroganz" und "Ignoranz" war die Rede, von Respektlosigkeit und einem mutwillig eingetrübten Vertrauensverhältnis. Dicke Luft im "Amri"-Untersuchungsausschuss, der die Hintergründe des radikalislamischen Terroranschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz ausleuchten soll.

Mit anderthalb Stunden Verspätung begann dann am vorigen Donnerstag die öffentliche Vernehmung des Zeugen Bastian Kioschis, und hinten in der Reihe der Regierungsbeobachter fehlte erstmals eine junge Frau, die bis dahin immer dabei war. Sie hatte als Beauftragte des Innenministeriums darauf zu achten, dass in den Vernehmungen keine aus Sicht der Regierung oder Sicherheitsbehörden geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalte an die Öffentlichkeit gelangten. Eine Aufgabe, die sie nach den Worten des Vorsitzenden Armin Schuster (CDU) "gut", "sympathisch", "kompetent" wahrnahm - seit voriger Woche allerdings nicht mehr. Denn mittlerweile hatte die Beamtin dem Ausschuss das erste richtige Aufreger-Thema beschert.

Interessenskonflikt Erst Anfang Oktober erfuhren die konsternierten Abgeordneten vom Werdegang der Regierungsvertreterin: Vor ihrem Wechsel ins Innenministerium war sie Referatsleiterin in der für islamistische Bestrebungen zuständigen Abteilung 6 des Bundesamtes für Verfassungsschutz gewesen und hatte in dieser Funktion auch mit zwei engen Kontaktleuten des späteren Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri zu tun gehabt. Sie war also selber eine interessante Zeugin für den Ausschuss, dessen Ermittlungen sie als strikt objektive Beobachterin begleiten sollte - ein Interessenkonflikt, zu dem es nie hätte kommen dürfen. In der Beratungssitzung vergangene Woche entlud sich die Empörung der Abgeordneten über dem zuständigen Abteilungsleiter im Innenministerium, Stefan Kaller, der die Verantwortung auf sich nahm, aber Reue vermissen ließ.

Die Schadensbilanz des Falles ist im Ausschuss selbst umstritten. Schuster sieht keine Beeinträchtigung der Ermittlungen in dem Sinne, "dass in irgendeiner Weise manipulierend auf den Ausschuss eingewirkt" worden wäre: "Ich kann nicht erkennen, dass ich irgendeine Information nicht bekommen habe." Wann immer die Aufpasserin aus dem Ministerium mit dem Hinweis auf Geheimschutzbelange eine Vernehmung unterbrochen habe, sei das angesprochene Thema anschließend in nichtöffentlicher Sitzung erörtert wofden Es habe "keine Manipulationsabsicht, aber grobe Fehler in der Zusammenarbeit" gegeben.

Völlig anders sah das nach der Aussprache mit Kaller die Linke Martina Renner, nach deren Eindruck die Beauftragte des Innenministeriums "ihre Rolle im Ausschuss benutzt" habe, "um auch Zeugen zu beeinflussen, bestimmte Sachverhalte dem Ausschuss nicht zu offenbaren". Sie habe immer dann interveniert, wenn in einer Vernehmung Personen aus dem radikalislamischen Spektrum zur Sprache gekommen seien, mit denen sie selber als Verfassungsschützerin zu tun gehabt habe: "Ich halte dieses Vorgehen nicht für ein Versehen, sondern für einen gezielten Versuch, bestimmte Sachverhalte nicht in das Blickfeld des Ausschusses zu bringen", betonte Renner.