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arbeit und Soziales : Reformeifer

Die Rentenkosten lassen den Etat deutlich steigen. Diskutiert wird aber vor allem über das System von Hartz IV und die Betreuung der Arbeitslosen.

26.11.2018
2023-08-30T12:34:38.7200Z
4 Min

Nochmal eine Milliarde oben drauf. In anderen Ressorts mit kleineren Etats hätte eine solche Änderung des Regierungsentwurfs vermutlich ein größeres Echo erzeugt. Nicht so im ohnehin schon größten Einzelplan des Bundeshaushaltes, jenem für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Bei den satten 145,26 Milliarden Euro, die Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) 2019 ausgeben darf, fallen 1,2 Milliarden Euro eben nicht so auf. Die Erhöhungen gehen vor allem in die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung, wo die Bundesregierung offenbar mit steigendem Bedarf rechnet und nochmal 800 Millionen Euro dazu gibt. Die Mittel für das Arbeitslosengeld II werden ebenfalls erhöht, um 400 Millionen Euro gegenüber dem Regierungsentwurf.

Doch bei der abschließenden Beratung des Sozial-Etats (19/3400; 19/3402; 19/4611) am vergangenen Freitag spielten diese Erhöhungen kaum eine Rolle. Wichtiger war die grundsätzliche Frage danach, ob die Grundsicherung für Arbeitslose reformiert werden müsse. Den Anstoß für eine Grundsatzdebatte über Hartz IV hatte vor einer Woche SPD-Chefin Andrea Nahles gegeben, gefolgt von Grünen-Chef Robert Habeck, die beide klarstellten, Hartz IV hinter sich lassen zu wollen. Doch so aufgeregt wie sich nun Kritiker und Verteidiger der Agenda 2010 in der Öffentlichkeit zu Wort melden, so nüchtern verlief die Debatte darüber im Bundestag.

Am ausführlichsten äußerte sich dazu Uwe Witt (AfD), der der Bundesregierung vorwarf, weiter den Regelbedarf künstlich kleinzurechnen, in dem die Ausgaben der ärmsten 15 Prozent der Bevölkerung dafür als Referenzrahmen genutzt würden und nicht der ärmsten 20 Prozent, wie es vor 2011 der Fall gewesen sei. Ohne diese Änderung läge der Regelsatz heute nicht bei 416 Euro sondern bei 571 Euro für einen Alleinstehenden, rechnete er vor.

Hubertus Heil betonte, es sei gut, 15 Jahre nach der Einführung das Hartz-IV-System auf den Prüfstand zu stellen, denn es gebe "Licht und Schatten". Zu viele Menschen erlebten den Sozialstaat als zu bürokratisch und bevormundend. Priorität habe für ihn jedoch zunächst, die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer durch verbesserte Weiterbildungsangebote zu erhalten, also Arbeitslosigkeit zu verhindern, bevor sie entsteht, sagte Heil.

»Seien Sie doch stolz« Als "größtes Haushaltsrisiko" bezeichnete Michael Theurer (FDP) die "unsoliden und nicht gegenfinanzierten" Vorschläge von Andrea Nahles und Robert Habeck zur Reform der Grundsicherung. "Sie sollten doch stolz darauf sein. Es war der Startschuss für den größten Wirtschaftsaufschwung seit dem Wirtschaftswunder." Gleichwohl gebe es "Schwächen" in dem System, so müssten die Hinzuverdienstregeln und auch jene zum Schonvermögen reformiert werden, forderte Theurer.

Gesine Lötzsch (Die Linke) stellte fest, abzüglich der Rente werde viel zu wenig für Soziales ausgegeben. So bräuchte es für Weiterbildung und die Unterstützung von Langzeitarbeitslosen mehr Geld. Zwar habe die Regierung nun einen sozialen Arbeitsmarkt für 150.000 Menschen beschlossen, aber die Rahmenbedingungen seien viel zu restriktiv, kritisierte Lötzsch. Um Armut zu verhindern, sei nicht nur eine Abkehr von Hartz IV, sondern endlich eine Steuerreform nötig, die nicht nur Gutverdiener entlaste, forderte sie.

Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen) freute sich darüber, dass "endlich Bewegung in den Bereich der Jobcenter" gekommen sei. "Endlich gehen Sie mal die chronische Unterfinanzierung der Jobcenter an. Denn die Mitarbeiter brauchen mehr Raum zum Atmen, damit sie die Arbeitslosen besser betreuen können", sagte Deligöz. Endlich passiere auch etwas beim sozialen Arbeitsmarkt, das forderten die Grünen schon lange. Kritik übte sie dagegen beim Thema Altersarmut und fragte: "Wann kommt denn endlich Ihr Vorschlag zur Grundrente?"

Michael Groß (SPD) wies die Kritik der AfD an den Verwaltungskosten für die Bundesagentur für Arbeit zurück: "Wir investieren in Arbeit und in Menschen, die eine Arbeit suchen, deshalb sind die Mittel richtig." Auch die vier Milliarden Euro für den sozialen Arbeitsmarkt seien richtig angelegt und die Jobcenter sehr zufrieden damit, weil sie vor Ort entscheiden könnten, wie sie die Gelder verwenden, sagte Groß.

Für die Unionsfraktion appellierte Axel Fischer (CDU), das Arbeitskräftepotenzial in Deutschland angesichts des Fachkräftemangels besser auszuschöpfen. "Deshalb erhöhen wir die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit", verteidigte Fischer die Steigerungen in diesem Punkt.

Die Zahlen 145,26 Milliarden Euro (2018: 139,18 Milliarden Euro) umfasst der Etat des Ministeriums. Der größte Posten bleibt mit 105,4 Milliarden Euro (2018:100,14 Milliarden Euro) die Rente. Auf 98,02 Milliarden Euro (2018: 94,04 Milliarden Euro) beziffern sich die Leistungen an die Rentenversicherung. Für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung will der Bund im nächsten Jahr 7,1 Milliarden Euro und damit 1,2 Milliarden Euro mehr ausgeben als 2018 (5,9 Milliarden Euro).

Für arbeitsmarktpolitische Leistungen und Programme stellt der Bund, zusätzlich zu den Mitteln der Bundesagentur für Arbeit, rund 37,7 Milliarden Euro (2018: 37,6 Milliarden Euro) bereit. Fast die gesamten Mittel dieses Bereiches werden für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende ausgegeben: 36,12 Milliarden Euro (2018: 36,35 Milliarden Euro). Davon entfallen 20,6 Milliarden Euro (2018: 20,4 Milliarden Euro) auf das Arbeitslosengeld II. Für die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung sind 6,7 Milliarden Euro (2018: 6,9 Milliarden Euro) eingeplant.