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VERTEIDIGUNG : Dramatisch schlecht

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels warnt vor massiven Mängeln bei Ausrüstung und Personal der Bundeswehr

26.02.2018
2023-08-30T12:34:24.7200Z
3 Min

Das darf man getrost als politische Ohrfeige verstehen: "Die proklamierten Trendwenden für Personal, Material und Finanzen sind unbedingt zu begrüßen. Nur macht die Proklamation allein noch nichts besser." Mit diesen deutlichen Worten fasste der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, in der vergangenen Woche bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2017 (19/700) den Zustand der Bundeswehr zusammen und attackierte damit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die vor zwei Jahren die sogenannten Trendwenden versprochen hatte. Alles sollte besser werden für die strapazierten deutschen Streitkräfte: Mehr Geld, mehr Personal und mehr Ausrüstung werde die Truppe erhalten, hatte die Ministerin angekündigt. Doch die Bilanz des Wehrbeauftragten fällt ernüchternd aus.

Fehlende Ersatzteile Beispiel Ausrüstung: "Die Materiallage bleibt dramatisch schlecht, an manchen Stellen ist sie noch schlechter geworden", lautet Bartels Befund. Neue Ausrüstung werde nur schleppend ausgeliefert, das neue Gerät sei oft nicht einsatzbereit und überall fehle es an Ersatzteilen. "So sah die Lage bei Flugzeugen und Hubschraubern, Schiffen und U-Booten, bei Panzern und Kraftfahrzeugen im Berichtsjahr aus", ist im Bericht des Wehrbeauftragten zu lesen. Von den bislang 14 in Dienst gestellten Airbus A400M-Transportfluzeugen sei Ende vergangenen Jahres zeitweise keins für den Einsatz bereit gewesen. Insgesamt 53 Maschinen des A400M soll die Luftwaffe erhalten, die die alten Transall-Transportflugzeuge ersetzen sollen. Bis 2021 sollen die Transall ausgemustert werden. Doch die Auslieferung des A400M hatte sich in den vergangenen Jahren immer wieder verzögert - und scheint sich weiter zu verzögern. Nach einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sieht eine mit Airbus geschlossene Absichtserklärung vor, dass sich die Auslieferung der ausstehenden Maschinen noch bis 2026 hinziehen wird. Eigentlich sollten die letzten A400M bis 2020 an die Luftwaffe übergeben werden.

Auch bei der Marine bereitet der Zulauf neuer Schiffe Probleme. So musste nach Angaben des Wehrbeauftragten im Dezember 2017 die bereits übernommene neue Fregatte "Baden-Württemberg" (F125) wegen erheblicher Soft- und Hardware-Mängel wieder an die Werft zurückgegeben werden. "Prekär" sieht es auch bei der Unterseeboot-Flotte aus. Von den sechs U-Booten habe der Marine kein einziges fahrbereit zur Verfügung gestanden, moniert Bartels. Bei der Marine wirkten sich die begrenzten Instandsetzungskapazitäten und die langwierige Beschaffung von Ersatzteilen besonders negativ aus. "Die Einsatzbereitschaft wird so über einen längeren Zeitraum erheblich beeinträchtigt. Damit verbietet sich eigentlich jede zusätzliche Belastung durch weitere maritime Aufträge", räumt Bartels unumwunden ein.

Nicht viel besser sieht es beim Heer aus. Die Einsatzbereitschaft der Kampfpanzer Leopard 2 habe "grundsätzlich eine kritische Marke erreicht", attestiert der Wehrbeauftragte in seinem Bericht. Im November 2017 seien nur 95 der insgesamt 244 Panzer einsatzbereit gewesen. Dies sei zum einen der Modernisierung geschuldet, aber auch langer Reparaturzeiten wegen fehlender Ersatzteile.

Die Ausfälle beim Großgerät birgt für die Truppe massive Probleme, weil die Soldaten nicht ausgebildet werden können. So kaufte das Verteidigungsministerium Ende 2017 beim ADAC 6.500 Flugstunden auf Hubschraubern ein, nur damit die Bundeswehrpiloten des Transporthubschraubers NH-90 und des Kampfhubschraubers Tiger ihre vorgeschriebene Anzahl an Flugstunden absolvieren können und nicht ihre Fluglizenzen verlieren. Ähnliche Verträge mit privaten Anbietern bestehen auch für die Hubschrauberpiloten von Luftwaffe und Marine. "Diese Notlösungen zeigen eindringlich, dass hier ein ernstes Problem besteht", warnt Bartels.

Der Truppe mangelt es aber nicht nur an Ausrüstung, sondern auch an Soldaten. Nach Informationen des Verteidigungsministeriums seien Ende vergangenen Jahres 21.000 Dienstposten von Offizieren und Unteroffizieren vakant gewesen, führt der Wehrbeauftragte an. Besonders stark betroffen seien jene Bereiche der Streitkräfte, die mit extremen körperlichen Anforderungen oder speziellen Fähigkeiten verbunden sind - etwa bei Piloten, Kampfschwimmern und Minentauchern, aber auch bei Verwendungen mit IT-Kenntnissen und elektronischem Fachwissen. Die Liste der unterbesetzten Bereiche in der Truppe umfasst rund 300 verschiedene Verwendungen.

Bündnisverpflichtungen Für Aufregung sorgten in der vergangenen Woche zudem Presseberichte über ein internes Papier des Verteidigungsministeriums, nach dem sich die Panzerlehrbrigade 9 aus Münster Kampfpanzer und anderes Gerät aus anderen Verbänden leihen müsse, um 2019 ihrer Aufgabe bei der Führung der sogenannten Nato-Speerspitze erfüllen zu können. Das Ministerium wiegelte zwar ab: Deutschland könne sehr wohl seinen Bündnisverpflichtung nachkommen. Aber die Kritik an Ministerin von der Leyen wird lauter: Sie sei bereits vier Jahre im Amt, da könne sie sich nicht mehr auf eine bloße Analyse der Probleme beschränken, sondern müsse Lösungen bieten, monierte etwa Tobias Lindner, sicherheitspolitischer Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen.