Einem an seiner eigenen Partei leidenden SPD-Mitglied ist die Lektüre des Buches von Joachim Käppner nicht unbedingt zu empfehlen. Zwar distanziert sich Käppner, Historiker und Autor der "Süddeutschen Zeitung", von Sebastian Haffners drastischer Analyse, wonach die SPD die Revolution von 1918 "verraten" habe. Doch auch Käppner schont die Sozialdemokraten nicht: Durch ihre grandiose Fehleinschätzung, eine Demokratie auf den Fundamenten der alten Ordnung aufbauen zu können, gar im Bündnis mit deren Eliten, sei die Weimarer Republik von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen - all ihrer Errungenschaften zum Trotz. Aber im Unterschied zu Haffner fragt Käppner auch nach den Handlungsspielräumen der Akteure, die zum Beispiel durch den ungeheuren Druck der Siegermächte eingeschränkt waren. Er schreibt lieber von einem "deutsches Trauerspiel", in dem die von der SPD geführte Übergangsregierung weder die meuternden Matrosen noch die Revolution richtig verstanden habe - nämlich als einen Aufstand für die Freiheit. Diesen, beginnend mit der Meuterei auf den Kriegsschiffen und endend mit dem Untergang der zweiten Münchner Räterepublik im Mai 1919, schildert Käppner romanhaft fesselnd in all seinen Facetten. Das Handeln jener Soldaten wie jenes ihrer Gegenspieler, der Offiziere, steht dabei im Zentrum. Denn die Revolution ging von den Matrosen aus, die, ohne ein politisches Programm zu haben, zunächst nur für das Ende eines sinnlosen Krieges kämpften. Wie sich aus der Kriegsmüdigkeit schließlich politische Visionen entwickelten und mit Gewalt beantwortet wurden: Käppner schildert die Dramatik der Ereignisse in all ihrer Widersprüchlichkeit. Denn trotz der "verpassten historischen Chance" durch die SPD mit ihren dramatischen Folgen sollten sie, so der Autor, als Geburtstunde der Demokratie stärker gewürdigt werden als bisher. Dies ist ihm zweifellos gelungen.
Weiterführende Links zu den Themen dieser Seite finden Sie in unserem E-Paper.