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gesundheit : Experten streiten über Pflegefinanzierung

Manche Fachleute plädieren für die Bürgerversicherung, andere für eine stärkere Eigenvorsorge

13.05.2019
2023-08-30T12:36:21.7200Z
3 Min

Der seit Jahren andauernde Konzeptstreit über die langfristige Finanzierung der kostspieligen Pflegeversorgung ist um eine Anhörung reicher. Die Sachverständigen befassten sich vergangene Woche konkret mit drei Anträgen der Oppositionsfraktionen, in denen angesichts der stark steigenden Ausgaben eine systematische Kurskorrektur gefordert wird. Die Fachleute vertreten grundsätzlich unterschiedliche Positionen, machten in der Anhörung sowie in ihren schriftlichen Stellungnahmen aber deutlich, dass die Aufwendungen für die Pflege größer werden und neue Finanzierungwege daher geprüft werden sollten.

Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/7691) von der Bundesregierung, einen Vorschlag zur künftigen Finanzierung der Pflege vorzulegen, der sich an einem Dreisäulenmodell aus sozialer Pflegeversicherung, privater und betrieblicher Pflegevorsorge orientiert. Die Linksfraktion plädiert in ihrem Antrag (19/7480) für einen Finanzausgleich zwischen der privaten und sozialen Pflegeversicherung. Zudem sollte perspektivisch die private Pflegeversicherung (PPV) in die soziale Pflegeversicherung (SPV) überführt werden.

Die Grünen-Fraktion spricht sich in ihrem Antrag (19/8561) für eine Pflege-Bürgerversicherung aus, die wegen der strukturellen Ähnlichkeit des privaten und sozialen Zweigs der Pflegeversicherung einfach umsetzbar sei.

Mehr Pflegefälle Nach Informationen des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist die Pflegebedürftigkeit in der PPV nur halb so hoch wie in der SPV. 2017 waren demnach in der SPV rund 4,6 Prozent der Versicherten pflegebedürftig, in der PPV nur rund 2,3 Prozent. Die Zahl der Pflegebedürftigen ist den Angaben zufolge vor allem durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und das neue Begutachtungsverfahren zwischen 2017 und 2019 um rund 735.000 auf rund 3,7 Millionen gestiegen. Dies führte zu einer sprunghaften Erhöhung der Leistungsausgaben in der SPV. Zugleich sind die Eigenanteile für die stationäre Pflege kontinuierlich gestiegen. Den Beitragssatz zu erhöhen, sei keine auf Dauer tragfähige Lösung, erklärte der Spitzenverband und plädierte für einen steuerfinanzierten Bundeszuschuss, um steigende Eigenanteile und Beitragssatzerhöhungen abzumildern.

Der Paritätische Gesamtverband geht davon aus, dass in der Pflege kurzfristig sechs bis zehn Milliarden Euro zusätzlich benötigt werden. Eine rein kosmetische Korrektur reiche nicht aus. Der Verband forderte, zunächst die Beitragsbemessungsgrundlage deutlich anzuheben und andere Einkommensarten wie Kapitaleinkünfte in die Pflegebeiträge einzubeziehen. Zudem sollte die Versicherungspflichtgrenze aufgehoben und eine allgemeine Versicherungspflicht eingeführt werden. Sinnvoll wären eine einheitliche Bürgerversicherung und eine Umverteilung der Altersrückstellungen in der PPV. Einige Experten gaben in der Anhörung allerdings zu bedenken, dass eine Auflösung oder Kollektivierung der Altersrückstellungen rechtlich problematisch wäre.

Individuelle Vorsorge Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Hagist warb wie andere Fachleute für eine Stärkung der kapitalgedeckten Pflegevorsorge. Eine Pflege-Bürgerversicherung würde nur vorübergehend Entlastung bringen. Sinnvoll wäre eine individuelle Vorsorge, da ansonsten ein massiver Anstieg der Beiträge drohe. Bis zur Klärung der langfristigen Finanzierung sollte auf eine Leistungsausweitung verzichtet werden.

Auch nach Ansicht des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) ist die Kapitaldeckung dem Umlageverfahren und damit der Bürgerversicherung klar überlegen. Gerade mit Blick auf die Generationengerechtigkeit müsse die Kapitaldeckung in der Pflege gestärkt werden. Die Pflege-Bürgerversicherung löse kein Finanzierungsproblem, sondern verschärfe dieses noch. Die mit der zunehmenden Alterung einhergehenden höheren Kosten würden auf künftige Generationen verschoben. Nur im Kapitaldeckungsverfahren würden langfristige Kostenrisiken anhand tatsächlicher Preise berücksichtigt. Bei diesem Verfahren sorge jede Generation für sich.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe forderte eine Lösung für die steigenden Eigenanteile in Pflegeheimen, die auf einen bundeseinheitlichen Satz gedeckelt werden sollten. Zudem müssten die Kosten für Investitionen sowie Unterkunft und Verpflegung besser kontrolliert werden. Nach Ansicht des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) sollte zunächst die fehlende Finanzierung von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeheimen durch die Krankenversicherung korrigiert werden.