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Aschot Manutscharjan

Die Osteuropa-Historikerin Claudia Weber zeichnet die Ereignisse rund um den "Hitler-Stalin-Pakt" nach: Der von den Außenministern Joachim von Ribbentrop und Wjatscheslaw Molotow eilig ausgehandelte Vertrag wurde am 23. August 1939 in Moskau unterzeichnet. Er markiert die Kehrtwende der sowjetischen Sicherheitspolitik in Europa, nachdem die Appeasement-Politik des Westens gegenüber den territorialen Forderungen Hitlers das Misstrauen Stalins geweckt hatte. "Mit dem Abkommen von München waren Moskaus Hoffnungen auf ein gegen Hitler gerichtetes europäisches Sicherheitsbündnis mit der Sowjetunion zerbrochen." Überzeugend analysiert Weber, welche Motive Stalin veranlassten, den Pakt zu schließen, der heute noch von Präsident Putin als Sieg sowjetischer Diplomatie gefeiert wird.

"Wir haben in drei Wochen geschafft, was Engländer und Franzosen in vielen Monaten nicht erreicht haben", notierte der deutsche Botschafter in Moskau, Friedrich Graf von der Schulenburg. In Geheimen Zusatzprotokollen hatten Deutschland und die Sowjetunion ihre Interessensphären in Osteuropa abgesteckt.

Die "territorial-politische Umgestaltung" der baltischen Staaten, Finnlands, Polens und Rumäniens begann mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen am 1. September. Anschließend griff die Rote Armee am 17. September Polen an. In der sowjetischen Geschichtsschreibung wurde dies als Befreiung der slawischen Völker bewertet. Dieser These folgt auch die offizielle russische Historiographie: Moskau habe so den deutschen Angriff auf die Sowjetunion hinausgezögert. Daher weigert sich Russland bis heute, eine Mitschuld an der Genese des Zweiten Weltkriegs anzuerkennen, wie von Polen und den baltischen Staaten gefordert. Allerdings vermeidet es die Autorin dieses sehr empfehlenswerten Buches, sich zu diesen spannenden Fragen zu äußern.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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