Zugausfälle, Verspätungen, verpasste Anschlüsse, Signalstörungen, falsche Wagenreihung, fehlender Speisewagen, defekte Toiletten: Jeder Fahrgast kennt die kleinen und großen Pannen im Alltag der Deutschen Bahn. Eine "echte Zumutung", findet Arno Luik, langjähriger Autor beim "Stern" und einer der profiliertesten Bahn-Kritiker hierzulande. Sein Buch "Schaden in der Oberleitung" beschreibt ein Unternehmen, das "außer Kontrolle geraten" sei.
Von einem "geplanten Desaster" spricht Luik. Er schildert zentrale Probleme, allen voran den Bahnhof Stuttgart 21, der mit über acht Milliarden Euro inzwischen mehr als doppelt so viel kostet wie bei der Abstimmung über das Projekt angekündigt. Der tiefergelegte Knotenpunkt werde den Bahnverkehr eher hemmen als verbessern. Er diene vorrangig den Interessen von Investoren, die frei werdende oberirdische Flächen lukrativ bebauen wollen.
Ebenso deutlich wendet sich der Autor gegen die internationale Ausrichtung des Staatskonzerns, der das Kerngeschäft in Deutschland vernachlässige. Er kritisiert unfähige Verkehrsminister, skrupellose Lobbyisten und Manager, die handeln, "als wollten sie die Menschen zu Autofahrern erziehen". Vieles davon stimmt, dennoch bleibt nach der Lektüre ein schales Gefühl zurück. In seinem Furor gegen alles, was die Verantwortlichen falsch machen, vermeidet der Autor jeden Selbstzweifel. Und verwickelt sich in Widersprüche: So moniert er, dass zu wenig Waren auf der Schiene transportiert werden, schimpft zugleich aber über den "Lärmterror" im Mittelrheintal durch fahrende Güterzüge.
Luik argumentiert materialreich und hat zahlreiche Experten an seiner Seite. Er ärgert sich zu Recht über die Fehlentscheidungen in einem Bereich, der für die Klimapolitik von zentraler Bedeutung ist. Doch mehr Differenzierung und Alternativen hätten das Buch glaubwürdiger gemacht.Thomas Gesterkamp
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