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AUSWÄRTIGEs : Keine Waffen an die Türkei

Kritik an Militäroffensive gegen Kurden-Milizen in Nordsyrien

21.10.2019
2023-08-30T12:36:28.7200Z
3 Min

Die Bundesregierung steht wegen ihrer Türkei-Politik in der Kritik: zu lasch, zu inkonsequent verhalte sie sich gegenüber dem aggressiven Kurs und Stil des türkischen Präsidenten Erdogan - so lässt sich der Tenor der Opposition im Bundestag zusammenfassen. In einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Haltung der Bundesregierung zum Einmarsch der Türkei in Syrien" kritisierten allerdings auch Vertreter der Koalition die Politik des türkischen Präsidenten scharf und bezeichneten dessen militärische Intervention gegen kurdische Milizen in Nordsyrien, die Mitte Oktober kurz nach dem Abzug von US-Truppen auf Befehl von US-Präsident Donald Trump erfolgte, als völkerrechtswidrig. In der Regierungserklärung (siehe Beitrag rechts) kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) später zudem an, einen bis dato mit einigen Ausnahmen beschlossenen Rüstungsexport-Genehmigungsstopp der Bundesregierung zu verschärfen, als sie sagte, "unter den jetzigen Bedingungen" gar keine Waffen an die Türkei zu liefern. Am vergangenen Donnerstag wurde dann bekannt, dass sich die USA und die Türkei auf eine Waffenruhe in einer 20-Meilen-Zone an der türkisch-syrischen Grenze verständigt haben, aus der sich die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) zurückziehen sollen.

Sevim Dagdelen (Die Linke) kritisierte in der Debatte im Bundestag, dass die Bundesregierung ein entschlossenes Waffenembargo der EU gegenüber Ankara verhindert hätte. In Berlin vergieße sie Krokodilstränen, während sie in Brüssel Erdogan in Schutz nehme. "Das ist nichts weiter als reine Schaufensterpolitik". Seit dem Jahrtausendwechsel habe Deutschland Kriegswaffen im Wert von 1,74 Milliarden Euro an die Türkei geliefert, davon allein im vergangenen Jahr in Höhe von 243 Millionen Euro. "Das ist alles andere als restriktiv, das ist Beihilfe zum Unfrieden in der Region", sagte Dagdelen.

Johann Wadephul (CDU) verurteilte die Intervention der Türkei, für die es keine völkerrechtliche Rechtfertigung gebe. Er wandte sich gegen Pläne, in der Türkei lebende syrische Flüchtlinge nach Nordsyrien umzusiedeln. "Zwangsweise Umsiedlungen, veranlasst durch die Türkei, wird Europa, wird Deutschland niemals billigen." Die Türkei solle in der Nato bleiben. Ankara müsse jedoch eines deutlich gemacht werden: "Man kann nicht auf der einen Seite Europa als den wichtigsten Handelspartner haben und Nato-Mitglied sein und auf der anderen Seite die Interessen und Werte der westlichen Welt mit Füßen treten."

Rüdiger Lucassen (AfD) sagte, dass der "türkische Feldzug" in Nordsyrien "klare Verhältnisse" schaffe. Er lege die deutsche "außenpolitische Verzwergung" wie auch die Erpressbarkeit durch das EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei offen. Die Bundesregierung spreche mit Blick auf die Nato von einem Wertebündnis. "Falsch! Die Nato ist ein strategisches Militärbündnis, das Deutschlands Sicherheit garantiert, und es ist im Begriff, zu zerfallen." Wenn Erdogan den Bündnisfall nach Artikel 5 einfordere, könne dies das Fundament der Nato sprengen.

Nils Annen (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, sprach von "berechtigten Sicherheitsinteressen" der Türkei. "Doch diese rechtfertigen nicht den gegenwärtigen Militäreinsatz." Dieser löse auch keines der Probleme der Region, sondern erschwere den fragilen UN-Friedensprozess für Syrien. Zudem richte er sich gegen jene kurdischen Kräfte, die den "Islamischen Staat" (IS) maßgeblich zurückgedrängt hätten. Mit einem Waffenexportstopp gebe es nun ein "klares Zeichen" für Ankara, sagte Annen. Und: "Wir behalten uns weitere Maßnahmen vor."

Bijan Djir-Sarai (FDP) bezeichnete es als "außerordentlich bitter und beschämend", die Kurden in Nordsyrien allein zu lassen. Nicht zuletzt aus innenpolitischen Erwägungen stürze Erdogan "die gesamte Region ins Chaos und ermöglicht ein Wiederstarken des IS". Dass es allerdings überhaupt zu dieser Entwicklung kommen konnte, liege auch im Versagen der EU begründet. Bundesregierung und die EU müssten aufwachen und "endlich vor der eigenen europäischen Haustür politisch handlungsfähig werden".

Agnieszka Brugger (Grüne) sagte, dass es Erdogan nicht um Sicherheit gehe, sondern um Zwangsumsiedlungen und ethnische Vertreibungen. "In einer Region, die ohnehin schon in Flammen steht, ist das der nächste Brandbeschleuniger." Wie ihr Vorredner warb sie dafür, Hermesbürgschaften für Exporte in die Türkei einzufrieren und Waffenexporte komplett einzustellen.