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Arbeit : Für Fairness

Eine Nachunternehmerhaftung soll für bessere Arbeitsbedingungen in der Paketbranche sorgen. So sieht es ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor

21.10.2019
2023-08-30T12:36:28.7200Z
4 Min

Auch Politiker wohnen in Häusern, in denen Paketboten klingeln. Manchmal stündlich, wie in dem Mehrfamilienhaus, in dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wohnt. Öfter sogar am Samstagabend um 20.30 Uhr - und das nicht nur zur Weihnachtszeit, wie Jürgen Pohl (AfD) berichtete. Wie die Pflegethematik ist auch das Thema Paketboten ein Bereich, zu dem alle etwas Persönliches beitragen können. Bei rund 3,5 Milliarden Sendungen, die durch die Paket- und Kurierdienste im vergangenen Jahr in Deutschland versendet wurden, ist das auch kein Wunder. Im Jahr 2000 summierten sich diese Sendungen auf "nur" 1,6 Milliarden. Die Branche boomt vor allem wegen des Online-Handels extrem. Das ist bequem für die Konsumenten, es sei denn, das Paket nimmt seltsame Umwege. Es ist auf jeden Fall unbequem für sehr viele Paketzusteller, die, wenn sie bei Subunternehmen angestellt sind, meist keine angenehmen Arbeitsbedingungen genießen können.

Dem will die Bundesregierung nun einen Riegel vorschieben. Ihren Entwurf für ein Paketboten-Schutz-Gesetz (19/13958) debattierte der Bundestag in der vergangenen Woche zum ersten Mal. Am heutigen Montag führt der Ausschuss für Arbeit und Soziales dazu eine Expertenanhörung durch.

Der Entwurf sieht vor, eine Nachunternehmerhaftung für Sozialabgaben für die KEP-Branche (KEP = Kurier-, Express- und Paketdienste) einzuführen. Vorbild sollen die bestehenden Haftungsregelungen für die Baubranche und die Fleischwirtschaft sein. Die Bundesregierung begründet die Initiative damit, dass es viele Paketdienste gebe, die fast ausschließlich mit Nachunternehmern arbeiten. Hier komme es häufig zu Verstößen gegen das Mindestlohngesetz und gegen sozialversicherungsrechtliche Pflichten mit zum Teil kriminellen Strukturen, heißt es im Entwurf.

Soziale Marktwirtschaft Hubertus Heil verwies in der Debatte auf den Anlass für das Gesetz: Denn im Februar dieses Jahres hatte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) eine bundesweite Razzia bei Paketdiensten und Subunternehmen durchgeführt. Das Ergebnis war eindeutig: Demnach hatte jede dritte Zustellfirma gegen das Arbeitsrecht verstoßen. Lohndumping und Verstöße gegen das Mindestlohngesetz machten die 3.000 Zollfahnder gleichsam als Massendelikt aus. "Das werden wir nicht länger zulassen", versprach nun der Minister. Das Prinzip der Generalunternehmerhaftung bezeichnete Heil als "probates Mittel", um Arbeitnehmerrechte zu sichern und Sozialleistungsbetrug zu verhindern. "Es hat sich bewährt, weil es hilft, dass sich Generalunternehmer überlegen, wen sie sich als Subunternehmer aussuchen, da sie im Zweifel für die Sozialversicherungsbeiträge einstehen müssen, wenn die nicht eintreibbar sind", erläuterte Heil.

Gisela Manderla (CDU) äußerte sich ähnlich zuversichtlich: "Wir reden hier nicht über ein neues Rechtsinstitut, sondern über eine Regelung, die beim Anspruch auf Mindestlohn geltendes Recht ist und die es in Bezug auf Sozialversicherungsbeiträge bereits in zwei Branchen gibt und sich dort wirklich bewährt hat." Soziale Marktwirtschaft könne nur funktionieren, wenn alle am Wertschöpfungsprozess Beteiligten auch den ihnen zustehenden Anteil erhalten, so die CDU-Abgeordnete.

Die FDP warf der Regierung jedoch vor, mit ihrem Vorstoß eine Branche in Sippenhaft zu nehmen. So kritisierte Carl-Julius Cronenberg für die Liberalen, dass sich der Entwurf nicht auf den kritischen Bereich der Paketzustellung beschränke, sondern alle Unternehmen im Speditions- und Logistikgewerbe treffe. "Der Entwurf ist unscharf oder zu weit gefasst", sagte er.

»Überflüssige Schlupflöcher« Auch die AfD-Fraktion glaubt nicht an eine positive Wirkung der Gesetzes. So erklärte Jürgen Pohl, es sei zwar gut gemeint. "Das Problem ist aber, wenn ich mich durch eine Präqualifikation oder Unbedenklichkeitserklärung exkulpieren kann, bleibt alles beim Alten", betonte er.

Dem widersprach Bernd Rützel (SPD): "Wir werden die Spreu vom Weizen trennen, denn die seriösen Unternehmer sind diejenigen, die wir stärken, die wir schützen wollen. Deswegen ist das Gesetz das Gegenteil von Sippenhaft." Es sorge dafür, dass der Wettbewerb wieder fairer werde und Sozialbetrug abgeschafft werde.

Pascal Meiser (Die Linke) machte "völlig überflüssige erhebliche Schlupflöcher" in dem Gesetz aus. Dazu zählte er die Haftungsausschlüsse für Subunternehmer, die in der Vergangenheit ordnungsgemäß Sozialversicherungsbeiträge abgeführt haben. "Diese Ausschlüsse öffnen doch Tür und Tor für Missbrauch", betonte er. Die Linke hatte einen eigenen Antrag (19/14022) vorgelegt, in dem sie eine Lizenzpflicht für die Paketzustellung analog zur Lizenzpflicht in der Briefzustellung fordert.

Die Grünen hatten ebenfalls einen Antrag (19/13390) eingebracht - für eine Nachunternehmerhaftung. Beate Müller-Gemmeke (Grüne) konnte deshalb die Intention des Gesetzes nur begrüßen. Sie betonte jedoch, dass dies nur ein erster Schritt sei. So müsse endlich die Entsenderichtlinie umgesetzt werden, um Tarifverträge allgemeinverbindlich zu erklären. "Paketdienste müssen wieder eigene, bei ihnen angestellte Zusteller beschäftigen, natürlich tariflich bezahlt", betonte sie.