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Naturschutz : Wolf im Visier

Abschuss-Regelungen kontrovers beurteilt

16.12.2019
2023-08-30T12:36:32.7200Z
3 Min

Schafe auf Deichen - für den Hochwasserschutz enorm wichtig, doch leichte Beute für Wölfe? Kinder, die im Winterdunkel auf den Schulbus warten - Furcht vor dem Wolf? Derzeit verabschieden Kreistage Resolutionen, in denen parteiübergreifend ein striktes Vorgehen gegen Wölfe gefordert wird. Doch kann es dabei nur Ausnahmen vom Abschuss-Verbot geben: Denn der Wolf ist auch auf der europäischen Ebene eine streng geschützte Tierart. Darum ging es vergangene Woche in einer Anhörung im Umweltausschuss, als Experten einen Vorstoß der Bundesregierung bewerteten, das Konfliktpotenzial zu mindern. Die Stellungnahmen der Sachverständigen zu diesem Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (19/10899) fielen kontrovers aus.

Mitte des 19. Jahrhunderts galt der Wolf in Deutschland als ausgerottet. 2000 wurde in Sachsen wieder eine Wolfsfamilie nachgewiesen. Am 30. April 2019 lebten laut Bundesamt für Naturschutz in Deutschland 105 Rudel, 25 Wolfspaare und 13 Einzeltiere. Die Ausbreitung des Wolfs hält an: Die Zahl von 30 Prozent jährlich stand im Raum. Und die Schäden, die der Wolf bei Weidetierhaltern verursacht mehren sich.

Entnahme von Wölfen Drei Stoßrichtungen beinhaltet der Entwurf: Zum einen soll die Rechtssicherheit gestärkt werden, wenn es um den möglichen Abschuss von Wölfen geht, die Nutztiere gerissen haben. Zum anderen wird ein Verbot der Fütterung von Wölfen angestrebt, damit die Tiere sich nicht an Menschen gewöhnen. Schließlich sollen Wolfshybride "entnommen" werden, wie es in der Gesetzessprache heißt. Die vorgesehenen Regelungen zur erleichterten Entnahme von Wölfen werden von den kommunalen Spitzenverbänden begrüßt, wie Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag erklärte. Aus Sicht der Betroffenen im ländlichen Raum sei es wichtig, dass der Schutz von Leib und Leben vorderste Priorität habe. Rücksicht auf Landwirtschaft und Weidetierhaltung habe nicht zuletzt mit Blick auf den Naturschutz und die Landschaftspflege große Bedeutung. Für die weitere Wiederbesiedlung durch den Wolf sei eine ausreichend große Akzeptanz der Bevölkerung - insbesondere der Nutztierhalter - unabdingbar.

Akzeptanz war auch für Gregor Beyer vom Forum Natur Brandenburg ein Stichwort. In seinem Bundesland werden die meisten Wölfe gezählt, gefolgt von Sachsen und Niedersachsen. Der Gesetzentwurf geht nach seiner Ansicht an der "Wolfswirklichkeit" vorbei. Vorgelegt worden sei ein "Wolfsakzeptanzverlustbeschleunigungsgesetz", kritisierte er. Beyer forderte ein aktives Bestandsmanagement.

Die Bestandsgrenze ist auch für die Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände ein Anliegen. Auf eine "Regulierung in Anzahl und Standorten" drängte ihr Sprecher Stefan Völl. Er verwies darauf, dass die Rückkehr des Wolfes vor allem zulasten der Schafhalter gehe. Der Schutz der Tiere erfordere einen enormen finanziellen und arbeitswirtschaftlichen Aufwand. Dieser müsse mit einem Rechtsanspruch komplett erstattet werden.

Auf die Akzeptanz für den Wolf ging Friedrich von Massow vom Deutschen Jagdverband ein: Sie stehe in einigen Regionen grundsätzlich in Frage, weil das Ausmaß der Konflikte - insbesondere Nutztierrisse - immer mehr zunehme. So seien die geplanten Gesetzesänderungen ein erster Schritt hin zu einem Wolfsmanagement, das den Bedürfnissen der Betroffenen diene, ohne berechtigte Belange des Artenschutzes zu vernachlässigen.

Verstoß gegen EU-Recht? Zu den im Gesetzentwurf festgelegten "ernsten Schäden", die einen Abschuss rechtfertigen können, sollten für Wernher Gerhards (Verein Sicherheit und Artenschutz) auch die Folgen von Tierseuchen zählen, die eine Verbindung zum Wolf haben. Ausdrücklich nannte er die Afrikanische Schweinepest. Er hatte auf Kinder an Schulbushaltestellen abgehoben und die "politische Aussage" im Bundesnaturschutzgesetz beanstandet, dass Wölfe bei Dunkelheit in Ortslagen als normales Lebensrisiko hinzunehmen seien.

Was für den einen Sachverständigen nicht weit genug ging, war für andere eine Grenzüberschreitung. Juristen gaben sich überzeugt, dass die beabsichtigten Gesetzesänderungen gegen EU-Recht verstießen. Der Anwalt Peter Kremer verwies auf die geplante Ausweitung der Ausnahmemöglichkeit vom strikten Artenschutz auch auf nicht-wirtschaftliche Schäden - gemünzt auf Hobby-Tierhalter. Christiana Patt von der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht sagte, der Europäische Gerichtshof habe erst im Oktober noch einmal ausdrücklich die rechtlichen Anforderungen an ein Schutzsystem für den Wolf formuliert. Daran müsse sich der Gesetzentwurf messen lassen. Ihr Befund: Mit EU-Recht nicht vereinbar.

Das sah Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, anders: Sie wertete die angepeilte Gesetzesänderung als Beitrag zu einem unions- und verfassungskonformen Ausgleich zwischen Artenschutz und den Interessen besonders der Nutztierhalter .