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Karl-Otto Sattler
Kurz REZENSIERT

Zuerst warben vor allem linke Politiker für das revolutionäre Konzept. Inzwischen trommeln auch Unternehmer wie etwa Götz Werner, Gründer der Drogeriekette dm, oder Elon Musk, Mitbegründer des Bezahlsystems PayPal, für diesen Shootingstar am Ideenhimmel. Sogar die Weltbank plädiert für das sozialpolitische Wundermittel. Michael Bohmeyer und Claudia Cornelsen befeuern in ihrem Buch ebenfalls den Hype um das "bedingungslose Grundeinkommen": Jeder Bürger, ob reicher Erbe oder armer Minijobber, bekommt vom Staat monatlich 1.000 Euro - womit alle anderen Sozialleistungen abgedeckt sind. Das setzt offenbar ungeahnte Kräfte frei: Man hängt nicht frustriert herum, sondern meistert aktiv sein Schicksal.

Diese Überzeugung sehen die Autoren von einem "Gesellschaftsexperiment" bestätigt: Bohmeyers Verein "Mein Grundeinkommen" verlost 1.000 Euro pro Monat für ein Jahr, finanziert durch Spenden. Über 250 Leuten war dieses Losglück schon hold. Zwei Dutzend von ihnen skizzieren die Verfasser als Menschen, die ohne finanziellen Druck über ihre Situation, ihre Umwelt, ihre Pläne nachdenken. Es entstehen Gemeinschafts- und Selbstwertgefühle, einige kündigen ihren Job, manche sehen ihren Beruf plötzlich positiv, andere gründen gar Firmen mit neuen Jobs. Obendrein kümmert man sich um Kinder, hält anderen die Tür auf, drängelt nicht an der U-Bahn. Eine phantastische Welt - vielleicht zu phantastisch.

Kritische Aspekte streift der Band nur am Rande. Unternehmer könnten versucht sein, angesichts der 1.000-Euro-Absicherung die Löhne zu drücken - was die Machtbalance zu Lasten der Gewerkschaften verschieben würde. Wird das Grundeinkommen vielleicht zur "Stillhalteprämie" für Ausrangierte, die in der Erwerbsarbeit chancenlos sind? Wie sollen überdies die gigantischen Kosten eines bedingungslosen Grundeinkommens gestemmt werden? Und auf Dauer würden 1.000 Euro als Existenzminimum "verdammt knapp", räumen die Autoren ein.

Aus Politik und Zeitgeschichte

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