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Industrie : Der Kampf um die Daten

Die EU-Kommission hat eine Digitalstrategie vorgelegt. Viele Details bleiben vage

09.03.2020
2023-08-30T12:38:14.7200Z
4 Min

Wird Europa zu einer "digitalen Kolonie" der USA oder Chinas? Davor hat der Europaabgeordnete Axel Voss gewarnt. Amazon, Apple und Alibaba seien im Begriff, übermächtige Player im Internet zu werden und die europäische Wirtschaft zu dominieren, so der CDU-Politiker.

Die EU-Kommission hat das Problem erkannt. Sie steuert nun mit einer "Digitalstrategie" gegen. Anders als noch zu Zeiten des (mittlerweile ausgeschiedenen) deutschen Internet-Kommissars Günther Oettingers geht es jedoch nicht mehr darum, ein "europäisches Google" zu schaffen.

Die neue dänische Digitalkommissarin Margrethe Vestager und ihr französischer Kollege Thierry Breton, der für den Binnenmarkt zuständig ist, wählen einen neuen Ansatz. Sie stellen die digitalen Daten in den Mittelpunkt ihrer Strategie, die im Februar in Brüssel vorgestellt wurde.

Systematische Sammlung Nachdem die EU den Schutz der persönlichen Daten gesichert hat - mit der Datenschutzgrundverordnung, die sich zu einem Standard entwickelt hat - nimmt sie sich nun die nicht personenbezogenen Daten vor. Sie sollen systematisch gesammelt, analysiert und genutzt werden, etwa für Anwendungen der "Künstlichen Intelligenz" (KI).

Europa habe "die erste Schlacht" um die persönlichen Daten verloren, sagte Breton bei der Vorstellung der EU-Strategie in Brüssel. Die nächste, entscheidende "Schlacht um die industriellen Daten" habe aber gerade erst begonnen. Europa werde dabei "das wichtigste Schlachtfeld" sein, warnt der ehemalige Atos-Manager.

Das klingt martialisch, und genauso ist es auch gemeint. Denn nach Ansicht von Breton und seinen Experten ist die europäische Industrie dringend auf einen "Binnenmarkt für Daten" angewiesen, um im internationalen Wettbewerb zu überleben. Denn ohne Daten geht in der Wirtschaft nichts mehr - weder im Verkehr noch bei Energie oder Medizin.

Diesen Binnenmarkt für Bits und Bytes will die EU in den nächsten Jahren schaffen. Doch das wird nicht einfach. Denn bisher liegt der digitale Rohstoff schwer zugänglich in privaten und öffentlichen Speichern, noch dazu meist in Servern und Clouds weit außerhalb der EU. Bevor er kommerziell ausgebeutet werden kann, muss man den Datenschatz heben und zurück nach Europa bringen.

Die dafür nötigen Standards, Regeln und Gesetze hat die EU-Kommission noch nicht vorgelegt. Sie will zunächst das Ergebnis einer Konsultation abwarten, die noch bis Ende Mai dauert. Doch die Konturen des europäischen Daten-Markts zeichnen sich bereits in Grundrissen ab. Auch das deutsche Projekt "Gaia-X" spielt dabei eine Rolle.

Zunächst will die EU-Kommission analysieren, wo die kommerziell nutzbaren Daten liegen - in öffentlichen Verwaltungen, bei großen Konzernen, aber auch bei innovativen Start-ups. Danach will sie neuartige "Datenräume" schaffen, die gemeinsam genutzt werden können. Darauf soll dann der neue Binnenmarkt aufbauen.

Bis es so weit ist, sind aber noch viele Hürden zu überwinden. So dürften nicht alle Unternehmen ihre Daten freiwillig herausgeben; neben dem Datenschutz gibt es wettbewerbsrechtliche Bedenken. Damit will sich Vestager beschäftigen, die auch für den Wettbewerb zuständig ist. Sie will sich die dominierenden Konzerne genau ansehen und prüfen, ob das Wettbewerbsrecht angepasst werden muss. Auch der Datenschatz der Behörden lässt sich nicht ohne weiteres heben. Dies zeigt sich in Deutschland. Das größte EU-Land hinkt nicht nur bei der Digitalisierung der Verwaltung hinterher. Hierzulande gibt es auch Widerstand gegen eine Zusammenlegung von Daten, wie der Streit um die elektronische Patientenakte zeigt.

Doch selbst wenn alle Bedenken ausgeräumt wären und die Daten europaweit zur Verfügung stünden, müssten sie auch noch zusammengeführt werden. Die dafür gedachten "Datenräume" und Speicher müssen erst noch geschaffen werden. Auch eine große europäische Cloud fehlt noch. Hier geht es um die digitale Infrastruktur - und viel Geld.

Rund zwei Milliarden Euro will die EU-Kommission in die Technik investieren. Damit sollen auch kleine Cloud-Speicher "Made in EU" miteinander verknüpft werden. Nationale Initiativen wie das deutsche Projekt "Gaia-X" seien willkommen, heißt es in Brüssel. Allerdings ist noch unklar, wie es in einem gemeinsamen "Datenraum" aufgehen kann.

Die Pläne der EU-Kommission sind dazu noch sehr vage. Zunächst müsse man gemeinsame Standards setzen, heißt es in der Brüsseler Behörde. Es gehe darum, auf den Stärken der kleinen europäischen Cloud-Anbieter aufzubauen und für eine "strategische Autonomie" zu sorgen. Geplant sind Datenräume für die industrielle Fertigung, aber auch für den Green Deal, für Transport, Energie und Verwaltung.

Die ersten Reaktionen fallen überwiegend positiv aus. "Wir brauchen wirklich europäische Strukturen, bei Cloud-Speichern oder auch beim Quantencomputing", sagt der CDU-Digitalpolitiker Voss. Zustimmung kommt auch von der SPD: "Bei der Datenpolitik hat die Kommission einen klar sozialdemokratischen Weg eingeschlagen", freut sich der Digitalexperte Tiemo Wölken.

Das Teilen von nicht-personenbezogenen Daten werde nicht nur die Datenwirtschaft in Europa ankurbeln, so Wölken. Es helfe auch, gegen die Monopolstellung von IT-Riesen vorzugehen und die digitale Souveränität Europas zu sichern. "Diese Daten sind ein öffentliches Gut und können nicht von wenigen Privatunternehmen gehortet werden."

Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nannte die Initiative "ein wichtiges Signal". Daten seien "der Schlüssel für eine gelingende Digitalisierung der europäischen Wirtschaft und unserer Unternehmen", erklärte Altmaier. Bei der Künstlichen Intelligenz hätten Frankreich und Deutschland bereits eine verstärkte Zusammenarbeit auf den Weg gebracht.

Auch bei "Gaia-X" wollen Berlin und Paris eng zusammenarbeiten. In einem gemeinsamen Positionspapier fordern beide Regierungen einen "Schutz gegen nicht-europäische extraterritoriale Regulierungen". Es klingt wie eine Kampfansage an die USA und ihre Internet-Giganten. Eric Bonse

Der Autor ist freier Korrespondent in Brüssel.