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bildung und forschung : Opposition rügt Innovationen im »Schneckentempo«

Ministerin Karliczek sieht Deutschland in der Krise technologisch gefordert

05.10.2020
2023-08-30T12:38:23.7200Z
4 Min

Gravierende Vorwürfe musste sich Anja Karliczek (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, von der Opposition in der Debatte zum Haushalt 2021 anhören. Dabei ging es weniger um die Höhe der Mittel. Der Regierungsentwurf sieht vor, dass der Haushalt von 18,3 Milliarden auf 20,24 Milliarden Euro (19/22600) steigen soll. Nur der Mitte Juni beschlossene zweite Nachtragshaushalt war mit 20,31 Milliarden Euro noch höher ausgefallen.

Vielmehr warf die Opposition der Ministerin mangelndes Engagement und Tempo bei Projekten und Innovationen vor. Ekin Deligöz (Grüne) sprach von "Schneckentempo". Bettina Stark-Watzinger (FDP) nannte den Haushalt gerade in Bezug auf Technologie und Innovation "ambitionslos". Götz Frömming (AfD) mahnte, Deutschland drohe in Bildung, Wissenschaft und Forschung den Anschluss an die internationale Spitze komplett zu verlieren. Albert Rupprecht (CSU) lobte hingegen den Aufwuchs des Haushaltes insgesamt. Seit 2005 sei dieser von 7,6 Milliarden auf 20,2 Milliarden Euro gestiegen.

Intransparenz gerügt Auch die Rechnungslegung des Ministeriums war Thema in der Debatte. Gesine Lötzsch (Linke) erinnerte daran, dass der Bundesrechnungshof den Hochschulpakt geprüft habe. Geld vom Bund für neue Studienplätze seien "von den Hochschulen für Parkhäuser, Tribünen und anderen Schnickschnack" ausgegeben worden.

Lötzsch sprach von "chaotischen Baustellen" und zitierte aus dem Bericht des Rechnungshofes: "Die Mittelströme haben eine Intransparenz erreicht, die auch die Länder kaum noch überblicken." Auch Frömming betonte, der Bundesrechnungshof habe mehrfach gemahnt, dass haushaltsrechtliche Vorgaben nicht beachtet worden seien, die parlamentarische Kontrolle in Teilen deshalb nicht mehr möglich sei. Frömming nannte das einen "Skandal".

Karliczek appellierte in ihrer Rede an den Gemeinsinn. Die Corona-Pandemie fordere das Land sowohl technologisch wie auch gesellschaftlich: "Wir müssen alle Verantwortung für unserer Mitmenschen übernehmen." Zudem hätten die im Frühjahr plötzlich verschlossenen Schulen der Gesellschaft sehr deutlich vor Augen geführt, dass das Land trotz digitaler Möglichkeiten nicht in der Lage gewesen sei, die Kinder mit der gewohnten Qualität zu unterrichten. Als weitere große Aufgabe nannte sie den Klimaschutz und fügte hinzu: "Der Schlüssel zu all diesen Transformationsprozessen liegt in Forschung und Innovation."

Digitalpakt Nach Ansicht Karliczeks hat die Digitalisierung in den Schulen volle Fahrt aufgenommen. Sie hob den Digitalpakt Schule hervor, der mittlerweile von ursprünglich fünf Milliarden Euro auf rund 6,5 Milliarden Euro bis 2024 angewachsen ist. Obwohl Bildung Ländersache ist, will der Bund so die Digitalisierung in den Schulen vorantreiben. Die Stärkung der Digitalisierung der Schulen stehe für "eine ganz klare Prioritätensetzung". Auch Rupprecht meinte: "6,5 Milliarden für den Digitalpakt, das ist nicht eine Petitesse, das ist ein Riesenbetrag."

Allerdings erwähnten weder Rupprecht noch Karliczek, dass von den ursprünglichen fünf Milliarden Euro bislang nur 15,7 Millionen Euro durch die Länder abgerufen wurden. Die Gründe, die immer wieder von den Bildungsexperten genannt werden, sind vielfältig. Vor allem das Antragssystem gilt als zu umständlich und ist für viele Schulen zu zeitraubend. Deligöz kritisierte, dass es Karliczek trotz langer Vorlaufzeit - der Digitalpakt Schule ist seit Mai 2019 in Kraft - bislang nicht geschafft habe, "auch nur einen Bruchteil dorthin zu bringen, wohin es gehört, nämlich in die Schulen in diesem Land". Insgesamt habe sie aus einem "Zukunftsprojekt ein Armutszeugnis für dieses Land kreiert".

Stark-Watzinger sagte, sie habe einen "Wumms" für Bildung, Forschung und Innovation erwartet, doch "Fehlanzeige". Denn mittelfristig, Corona-bereinigt, sinke der Haushalt sogar. Sie monierte, die Bildungschancen in der Gesellschaft seien immer noch ungleich verteilt. Sieben Prozent der Schüler verließen die Schule ohne Abschluss, Tendenz steigend. Zudem warf sie der Ministerin vor, die berufliche Bildung in jeder Rede herauszustellen, aber dann doch viel mehr Geld in die akademische Bildung zu geben. Sie forderte, die Begabtenförderungswerke auch für die berufliche Bildung zu öffnen.

Hilfe für Schüler Zur Modernisierung der beruflichen Bildung stehen laut Haushaltsentwurf rund 635 Millionen Euro (2020: 435 Millionen Euro) bereit. Der Posten ist dem Etat für die "Leistungsfähigkeit des Bildungswesens, Nachwuchsförderung" zugeordnet. Dafür sind 4,81 Milliarden Euro (2020: 5,37 Milliarden Euro) eingeplant.

Oliver Kaczmarek (SPD) betonte, es müsse dafür gesorgt werden, dass in der Krise niemand abstürze, es sei aber auch wichtig, in die Zukunft zu investieren. Der Haushaltsentwurf werde diesem Ziel gerecht. Niemand dürfe durch die Coronakrise zurückgelassen werden. So würden für Schüler aus einkommensschwächeren Haushalten 50 Millionen Euro bereitgestellt, um etwa Computer anzuschaffen. Dies sei "ein starkes Signal".

Als einen zentralen Punkt in Forschung und Innovation nannte Kaczmarek die Wasserstoffstrategie, für die in den kommenden Jahren elf Milliarden Euro ausgegeben werden sollen. Weitere Mittel flössen in die Quantentechnologie und die Künstliche Intelligenz. Kaczmarek sagte: "Wir stärken damit die Zukunft."

High-Tech-Strategie Diese Mittel sind dem höchsten Ausgabeposten innerhalb des Einzelplans 30 für "Forschung für Innovationen, Hightech-Strategie" zugeordnet, der rund 8,25 Milliarden Euro (2020: 8,22 Milliarden) umfasst. Im Mittelpunkt steht die nationale, europäische und internationale Projektförderung.

Für die Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Innovationssystems, dem zweitgrößten Posten im Etat der Ministerin für 2021, sind rund 7,46 Milliarden Euro (2020: 7,04 Milliarden Euro) vorgesehen. Schwerpunkt des Kapitels ist der "Zukunftsvertrag Studium und Lehre", für den im Haushalt 2021 rund 1,88 Milliarden Euro (2020: 1,74 Milliarden) vorgesehen sind.

Die Bundesregierung hat 2019 drei große Pakte mit den Bundesländern geschlossen und so Planungssicherheit bis zum Jahr 2030 geschaffen. Dadurch soll die Qualität in Studium und Lehre langfristig deutlich verbessert werden.