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VERTEiDIGUNG : »Verstaubte Debatte«

Die AfD steht mit der Forderung nach einer Rückkehr zur Wehrpflicht allein

23.11.2020
2023-08-30T12:38:26.7200Z
3 Min

Die Reaktionen fielen einhellig aus: Nein, eine Rückkehr zur Wehrpflicht wird es mit uns nicht geben, schallte es der AfD-Fraktion am vergangenen Freitag aus den Reihen aller anderen Fraktionen entgegen. Aber genau das ist was, was sich die "Alternative für Deutschland" wünscht. In ihrem Antrag (19/24401), über den der Bundestag debattierte und ihn anschließend zur weiteren Beratung in den Verteidigungsausschuss überwies, fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, die im Jahr 2011 ausgesetzte Wehrpflicht rückgängig zu machen. Mindestens 30.000 junge Männer müssten pro Jahr für einen zwölfmonatigen Wehrdienst einberufen werden, damit die Bundeswehr den Verfassungsauftrag zur Landesverteidigung nach Artikel 87a Grundgesetz erfüllen zu können. Derzeit könnten es die deutschen Streitkräfte im Verteidigungsfall nämlich nicht mit einem "kampfstarken Herausforderer" aufnehmen, ist sich die AfD sicher. Auch der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, habe noch Anfang des Jahres angemahnt, dass die Bundeswehr "als Ganzes nicht einsatzfähig" sei, heißt es im Antrag.

Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rüdiger Lucassen, versuchte in der Debatte das Anliegen seiner Fraktion dann aber mit ganz anderen Argumenten zu begründen. Die Wehrpflicht habe in Deutschland über 200 Jahre gut funktioniert, Armee und Gesellschaft verbunden. Sie sei der "Wesenskern" der Bundeswehr gewesen und habe zur DNA der Bundesrepublik gehört. An die Union gewandt sagte Lucassen mit Blick auf die Entscheidung des früheren Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) zur Aussetzung der Wehrpflicht: "Konservative tun so etwas nicht."

Doch auch dieses Argument wollte bei der Union, die in früheren Zweiten die Wehrpflicht stets hoch gehalten hatte, nicht verfangen. Zumindest bescheinigte deren verteidigungspolitischer Sprecher, Henning Otte (CDU), der AfD, sie hänge "romantischen und verklärten Vorstellungen" nach. Die Aussetzung der Wehrpflicht sei "notwendig und richtig" gewesen. "Wir wollen junge Menschen nicht zwingen, sondern junge Menschen überzeugen, einen freiwilligen Dienst zu leisten", führte Otte aus. Dazu gehöre auch, die Arbeit der Soldaten - etwa in den Auslandseinsätzen - nicht immer schlecht zu reden. Die Bundeswehr sei "nicht die Schule der Nation", sondern habe einen sicherheitspolitischen Auftrag. Den erfülle sie mit einer modernen Ausrüstung und professionell ausgebildeten Soldaten.

Gleichstellung Der FDP-Verteidigungspolitiker Alexander Müller wies darauf hin, dass eine Wehrpflicht nur für Männer gegen das Gleichstellungsgebot im Grundgesetz verstoßen würde, nachdem die Bundeswehr 2001 auch für Frauen ohne Einschränkungen geöffnet worden sei. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe würde dies bei der ersten Klage eines männlichen Wehrpflichtigen mit Sicherheit auch so beurteilen. Zudem sorge die Einberufung von nur 30.000 Wehrpflichtigen zu weiteren Ungleichbehandlungen, die nicht verfassungsfest seien.

Auf strikte Ablehnung stieß das Ansinnen der AfD auch bei der Linksfraktion. Deren Abgeordneter Tobias Pflüger stellte klar: "Wir wollen keine Militarisierung der Gesellschaft." Die Forderung der AfD, bei Wiedereinführung der Wehrpflicht den Ersatzdienst als Teil der "zivilen Verteidigung Deutschlands" auszugestalten, zeige, dass sie das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht verstanden habe. Und die Forderung, Frauen zu einem Sanitätsdienst verpflichten zu wollen, sei einfach "Unsinn".

Agnieszka Brugger, Verteidigungspolitikerin von Bündnis 90/Die Grünen, erklärte die gesamte Debatte für "verstaubt". Eine Rückkehr zur Wehrpflicht lasse sich auch nicht mit einer stärkeren Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft oder mit einem erhöhten Schutz vor Rechtsextremismus in der Truppe begründen. Wer Rechtsextremisten in den Streitkräften verhindern wolle, müsse darauf achten, wer in der Truppe seinen Dienst leistet. Zudem seien schnellere und effektivere Verfahren nötig, um Rechtsextremisten oder Reichsbürger zügig entlassen zu können.

Der SPD-Wehrexperte Fritz Felgentreu bescheinigte der AfD, ihr Antrag sei völlig kontraproduktiv, um das anvisierte Ziel zu erreichen. "Der Umbau der Bundeswehr zur Freiwilligenarmee ist abgeschlossen." Ein Zurück werde es nicht geben. Für tausende von Wehrpflichtigen seien weder die Unterkünfte noch die Ausbilder oder die benötigten Strukturen in der Truppe vorhanden. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht würde deshalb nur unnötig Ressourcen verbrauchen, die dann an anderer Stelle in den Streitkräften fehlten. Die Bundeswehr wäre mit einer Wehrpflicht eben nicht stärker, sondern schwächer, argumentierte Felgentreu.