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PKW-Maut : »Wir waren alle extrem überrascht«

Zeugen berichten über erstaunliches Angebot des Bieterkonsortiums

14.12.2020
2023-08-30T12:38:27.7200Z
3 Min

Es war kurz vor 22 Uhr am 10. Dezember, als dem Zeugen der Kragen platzte. Schon über drei Stunden dauerte da die Vernehmung von Guido Z., dem Leiter der Abteilung Straßenverkehr im Bundesverkehrsministerium. Immer und immer wieder fragte Christian Jung, Obmann der FDP-Fraktion im 2. Untersuchungsausschuss ("Pkw-Maut"), nach Details der hochrangigen Krisenrunde, die sich am 18. Juni 2019, dem Tag des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Pkw-Maut, im Ministerium versammelt hatte. Jetzt werde er unbotmäßig, beschied Z. dem verdutzten Fragesteller: "Ich beantworte die Frage nicht."

Der Ausschussvorsitzende Udo Schiefner (SPD) verzichtete darauf, die Antwortverweigerung zu sanktionieren - offenbar war auch er der Ansicht, dieselben Fragen seien bereits mehrfach gestellt worden. Zuvor hatte Z. berichtet, wie am Abend des 18. Juni 2019 im Ministerbüro darüber beraten wurde, welche Konsequenzen man aus dem EuGH-Urteil ziehen solle, das die deutsche Pkw-Maut als nicht europarechtskonform bezeichnet hatte. Um 22 Uhr habe er mit dem zuständigen Unterabteilungsleiter Ludger M. an der Kündigung der Verträge "gebastelt". Und danach sei es noch um die Frage gegangen, wie man der Betreiberfirma die Kündigung zustelle.

Natürlich spielte auch in der jüngsten Sitzung des Ausschusses die politisch brisante Frage eine Rolle, ob Klaus-Peter Schulenberg, Vorstandsvorsitzender der Bieterfirma CTS Eventim, Bundesverkehrminister Andreas Scheuer in einem Gespräch am 29. November 2018 anbot, mit der Vertragsunterzeichnung bis nach dem EuGH-Urteil zu warten. Scheuer hatte bei seiner Vernehmung im Ausschuss erklärt, nach seiner Erinnerung habe es ein solches Angebot nicht gegeben. Abteilungsleiter Z. gab zu Protokoll, er schließe aus, dass eine solche Verschiebung ernsthaft in Erwägung gezogen worden sei. Denn allen im Ministerium sei klar gewesen, dass das Geld aus der Pkw-Maut schnell - das heißt im Jahr 2020 - fließen müsse. Das Wahljahr 2021 wäre "ein schwieriges Jahr für derartige Dinge" gewesen.

Zu der von den Oppositionsfraktionen geforderten Gegenüberstellung von Schulenberg und Scheuer wird es nicht kommen. Die Vertreter von CDU/CSU und SPD lehnten einen entsprechenden Antrag ab, mit dem die Fraktionen von FDP, Grünen und Linken eine direkte Konfrontation der beiden Hauptzeugen erzwingen wollten.

Hintergrund der Kontroverse ist, dass das finale Angebot des Bieterkonsortiums von CTS Eventim und Kapsch TrafficCom um rund eine Milliarde Euro über dem vom Bundeshaushalt vorgegebenen Rahmen lag. "Wir waren alle extrem überrascht" über diese Summe, erklärte Ludger M., Leiter der für Nutzerfinanzierung zuständigen Unterabteilung im Verkehrsministerium, im Ausschuss. M. bestätigte die Aussage einer früheren Zeugin, wonach der damalige Staatssekretär Gerhard Schulz empört war, weil er erst am 14. November 2018 und damit vier Wochen nach Abgabe des finalen Angebots über die Höhe der Angebotssumme informiert worden sei. Zu diesem Zeitpunkt war es nicht mehr möglich, in der Bereinigungssitzung mehr Geld für die Pkw-Maut zu fordern.

Allerdings liegt dem Ausschuss die Mail einer Beamtin vor, die bereits kurz nach Eingang des finalen Angebots über dessen Höhe informiert hatte. Die Mail ging auch an Staatssekretär Schulz. Abteilungsleiter Z. konnte den Widerspruch nicht aufklären. Er glaube, dass "alle über das Angebot in irgendeiner Weise informiert worden sind", sagte er.

Vernommen wurden auch führende Vertreter des Bieterkonsortiums. Volker Bischoff, bis April 2020 Finanzvorstand von CTS Eventim, gab zu Protokoll, dass ihm sein Vorstandsvorsitzender Schulenberg am 7. Dezember 2018 vom Angebot zur Verschiebung berichtet habe. Die ablehnende Reaktion von Minister Scheuer habe ihn verwundert, da man durch eine Verschiebung mehr Zeit bekommen hätte, um die "Prämissen des Vertrags" zu diskutieren.

André Laux, Chief Operating Officer (COO) von Kapsch TrafficCom, äußerte sein Unverständnis über die Kündigung des Vertrags am 18. Juni 2019, dem Tag des EuGH-Urteils. Diese Kündigung habe "ausschließlich politische Gründe" gehabt. Dass auch Mängel der Feinplanungsdokumentation als Kündigungsgrund genannt worden seien, sei "so überraschend wie inakzeptabel" gewesen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt sei das Projekt zwar nicht reibungslos, aber "professionell" verlaufen.