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VERTEIDIGUNG : Und noch eine Debatte

Streit über Kampfdrohnen überlagert die Debatte über den 47 Milliarden Euro schweren Etat

14.12.2020
2023-08-30T12:38:27.7200Z
4 Min

Mir rund 47 Milliarden Euro steigen die Verteidigungsausgaben Deutschlands im kommenden Jahr auf einen neuen Höchstwert seit dem Ende des Kalten Kriegs. In der vergangenen Woche billigte der Bundestag den Etat von Verteidigungsministerin Annegret-Kramp-Karrenbauer (CDU) in der durch den Haushaltsausschuss geänderten Fassung (19/23313, 19/23324) mit den Stimmen der Koalition gegen das Votum der Opposition. Die haushälter des Bundestages hatte den Regierungsentwurf noch einmal um 120 Millionen Euro erhöht. Vor allem die Mittel für die Beschaffung von Munition und Bekleidung waren angehoben worden.

Im Zentrum der Debatte über den Wehretat standen aber vor allem die großen Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr in den kommenden Jahren. Überlagert wurde die Debatte einmal mehr vom Streit über eine Bewaffnung der von Israel geleasten Heron-Drohnen. Erneut angefacht hatte die Diskussion um die sogenannte Kampfdrohne einen Tag zuvor ein Nicht-Parlamentarier. Der SPD-Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans hatte in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" geäußert, dass er die bisherige Debatte über die Bewaffnung der Drohnen für nicht ausreichend halte: "Die Grenze zwischen der Verteidigung von Leib und Leben unserer Soldaten und Töten per Joystick ist hauchdünn", erklärte Walter-Borjans. Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, diese Frage erst nach "ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung" zu entscheiden.

Mahnung an die SPD Der FDP-Parlamentarier Karsten Klein forderte in der Debatte die SPD auf, ihre "Blockadehaltung" in der Drohnen-Frage aufzugeben. Die Entscheidung über die entsprechende 25-Millionen-Euro-Vorlage des Verteidigungsministeriums müsse noch in diesem Jahr getroffen werden, mahnte Klein. Auch Martin Hohmann (AfD) stellte klar, dass die Bundeswehr eine "bewaffnete unbemannte Luftunterstützung" brauche. Es sei "ganz schlecht", wenn der SPD-Vorsitzende darüber "noch ein weiteres Jahrzehnt palavern" wolle.

Selbst die Gegner einer Drohnen-Bewaffnung übten Kritik am Kurs der SPD. Es sei "nicht aufrichtig", wenn der SPD-Vorsitzende fordere, man bräuchte "noch eine Debatte und noch eine Debatte und noch eine Debatte", monierte Tobias Lindner (Grüne). Seine Fraktion lehne die Bewaffnung der Drohnen zwar ab, aber "die Argumente in dieser Frage" seien ausgetauscht. Michael Leutert (Linke) bescheinigte der SPD, sie lasse die Verteidigungsministerin "im Regen stehen". Wenn die SPD sich darum sorge, dass durch Kampfdrohnen die Hemmschwelle zum Einsatz militärischer Gewaltanwendung sinke, dann müsse sie auch andere Waffensysteme mit großer Reichweite, bei denen "man auch nicht mehr durchs Zielfernrohr schaut, sondern Zielkoordinaten hat und aufs Knöpfchen drückt", ablehnen. Ansonsten sei ihre Ablehnung "unglaubwürdig", hielt Leutert der SPD vor.

Ministerin Kramp-Karrenbauer machte aus ihrem Unmut über den widerspenstigen Koalitionspartner dann auch keinen Hehl in der Debatte. Es sei zwar vollkommen richtig, "ernsthaft" über Kampfdrohnen zu debattieren, aber diese Debatte werde bereits seit acht Jahren geführt. Das Verteidigungsministerium habe "bis auf Punkt und Komma" alles erfüllt, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei.

Mangel an Hubschraubern Trotz der Kritik und Mahnungen wollte kein Redner aus den Reihen der SPD-Fraktion in der Debatte Stellung beziehen in der Drohnen-Frage. Siemtje Möller (SPD) bekannte sich zwar ausdrücklich zur Entwicklung und Beschaffung der Eurodrohne - auch sie soll bewaffnungsfähig sein -, aber auf die Bewaffnung der Heron-Drohnen ging sie ebenso wenig ein wie ihre Kollegen. Um so ausführlicher widmeten sich die Sozialdemokraten den Problemen im Verteidigungsministerium bei anderen Beschaffungsvorhaben. Als Beispiele benannten Möller und íhre Fraktionskollege Andreas Schwarz die Beschaffung eines neuen Sturmgewehrs, dass das G36 ablösen soll und eines neuen schweren Transporthubschraubers.

Beide Vorhaben liegen derzeit auf Eis, im Fall des Gewehrs wegen juristischer Probleme im Vergabeverfahren zwischen Heckler & Koch und der Firma C. G. Haenel, die im Verdacht möglicher Patentverletzungen steht. Im Fall des schweren Transporthubschraubers, weil sich das Verteidigungsministerium bislang nicht zwischen dem CH-47 Chinook von Boeing und dem CH-53K von Sikorsky entscheiden konnte. Der Grund sind ständig steigende Kosten.

Aber auch die Union macht sich Sorgen um zukünftige Rüstungsprojekte. Die Bundeswehr sei zwar im kommenden Jahr mit dem Haushalt "solide finanziert", attestierte der Reinhard Brandl (CSU). Problematisch sei allerdings, dass die "Finanzlinie abknickt", sprich die Verteidigungsetat in den kommenden Jahren nicht so stark anwächst, um beispielsweise das "Future Combat Air System" (FCAS) zu finanzieren. Innerhalb dieses deutsch-französisch-spanischen Projektes soll unter anderem ein neues Kampfflugzeug entwickelt werden. Ungeklärt ist zudem die Zukunft des geplanten Taktischen Luftverteidigungssystems (TLVS), das auch der Abwehr von ballistischen Kurz- und Mittelstreckenraketen dienen soll. "Das ist teuer, aber wir müssen es aus meiner Sicht machen", plädierte Brandl.

Dieser Forderung erteilte Tobias Lindner (Grüne) eine deutliche Absage. Die Bundeswehr verfüge über eine bodengestützte Luftverteidigung, die allerdings modernisierungsbedürftig sei. Solange es aber an den dringend benötigten Transporthubschraubern fehle, sei das TLVS mit geschätzten Kosten von acht Milliarden Euro die falsche Priorität.