Piwik Webtracking Image

Haushalt : Mit schwerem Herzen

Merkel sieht Licht am Ende des Tunnels. Oppositionskritik an »Symbolmaßnahmen«

14.12.2020
2023-08-30T12:38:27.7200Z
4 Min

Schuldenberge, Problemberge und Infektionswellen: In ihrer sich dem Ende zuneigenden Amtszeit steht Angela Merkel vor der größten Herausforderung. Die Corona-Zahlen steigen wieder stark an, und daher appelliert die Kanzlerin in einer emotionalen Rede an die Bundesbürger, die Kontakte zu reduzieren sowie Glühweinstände und Waffelbäckereien zu meiden: "Es tut mir leid, es tut mir wirklich im Herzen leid, aber wenn wir als Preis dafür Todeszahlen von 590 Menschen am Tag in Kauf nehmen sollen, dann ist das nicht akzeptabel aus meiner Sicht. Und deshalb müssen wir da ran!"

Verständnis für Einschränkungen Der Kanzlerin sind in der Generaldebatte des Bundestages zum Haushalt 2021 in der vergangenen Woche die Anstrengungen der letzten Zeit anzusehen. Das Gesundheitssystem muss stabil, die Wirtschaft in Gang gehalten werden. Zugleich rücken schärfere Lockdown-Maßnahmen näher, auf die vor allem die Kanzlerin schweren Herzens drängt. Die Bevölkerung, so glaubt sie, hat Verständnis für die Maßnahmen und ist bereit, Einschränkungen hinzunehmen: "Dafür bin ich von Herzen dankbar, und das sollten wir alle miteinander sein."

Aber es gibt auch Perspektiven an diesem Tag: Merkel sieht in der Corona-Krise "Licht am Ende des Tunnels". In der gegenwärtigen "Ausnahmesituation" sei der wichtigste Schlüssel zur Bekämpfung des Virus "das verantwortliche Verhalten jedes Einzelnen und die Bereitschaft zum Mitmachen". Sie hofft auf die Impfungen, rät aber zu Realismus: Im ersten Quartal des nächsten Jahres werde man noch nicht so viele Impfungen durchführen können, aber man habe die Chance, zuerst Hochbetagte und Pflegekräfte zu impfen, und damit könnten dort Effekte erreicht werden, wo die meisten Todesfälle auftreten.

Merkel verteidigte die geplante Neuverschuldung in Höhe von rund 180 Milliarden Euro. Sie belaste künftige Haushalte und Ausgabemöglichkeiten in der Zukunft. Aber "wir leben in einer Pandemie und einer Herausforderung, wie sie die Bundesrepublik Deutschland noch nicht in dieser Art gekannt hat". Man müsse alles tun, damit der Weg der wirtschaftlichen Erholung im dritten Quartal auch fortgesetzt werden könne. Die Prognosen, dass 2022 wieder das Vorkrisenniveau erreicht werden könne, müssten Realität werden. Weltweit zeige sich, dass die Wirtschaft dort widerstandsfähig sei, wo die Pandemie unter Kontrolle sei.

Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Fraktion, sagte, eine Antwort auf die Herausforderung durch die Pandemie sei ein starker Haushalt, aber auch ein anspruchsvoller Sozialstaat. "Wir stehen in einem Jahrzehnt der Veränderungen und deswegen investieren wir in Mobilität, klimaschonendes Wirtschaften, neue Arbeitsplätze und eine Digitalisierung, die die Voraussetzung für neue Arbeit in unserem Land ist."

Zuvor hatte AfD-Fraktionschefin Alice Weidel Merkels Politik scharf kritisiert und ihr vorgeworfen, sie sei "die beste Kanzlerin, die Grüne und Linke je hatten". Ihre Kanzlerschaft werde auch wegen der hohen Neuverschuldung als "katastrophal" in die Geschichte eingehen. Außerdem kritisierte Weidel die Corona-Bekämpfungsmaßnahmen als schwerste Grundrechtseingriffe. Sie "reihen sich nahtlos an die drei fundamentalen Rechtsbrüche, die auch immer mit Ihren Regierungsjahren verbunden bleiben werden: Erstens: die Transformation der Währungsunion in eine Haftungs- und Schuldenunion. Zweitens: die Industrialisierungs- und Wohlstandsvernichtung durch Energiewende, Autowende, Kohle- und Atomausstieg. Drittens: die unkontrollierte Einwanderung unter Missbrauch des Asylrechts." Deutschland schütze seine Grenzen nicht, überziehe aber seine Bürger mit Ausgangssperren. Wirtschaftlich stehe das Land am Abgrund.

Kritisch äußerten sich auch die anderen Oppositionsfraktionen. Christian Lindner, Vorsitzender der FDP-Fraktion, kritisierte die schleppende Auszahlung von Hilfsgeldern an die Betriebe: Man müsse "aufpassen, dass aus der Infektions- keine Pleitewelle wird". Ausgangsbeschränkungen hält Lindner für Symbolmaßnahmen : "Das sind rein symbolische Einschränkungen, die erstens unwirksam sind, zweitens unverhältnismäßig in die Freiheit der Menschen eingreifen und die drittens dem Publikum nur ein planvolles Vorgehen simulieren sollen. Das braucht niemand." Notwendig seien nicht pauschale und flächendeckende Maßnahmen, sondern regionales und vor allem berechenbares Handeln.

»Fatales Signal « Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitze der Linken, verlangte, alles zu tun, um die Situation in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu verbessern. Es sei ein "fatales Signal", dass viele Pflegekräfte die Corona-Zulage nicht erhalten hätten. Zudem kritisierte sie die späte Auszahlung von Hilfen für die Betriebe. Großunternehmen wie der Lufthansa sei hingegen unverzüglich geholfen worden.

Ehrlichkeit, Transparenz und Perspektive forderte Annalena Baerbock (Grüne), um gut durch die Zeit zu kommen. Mit den Einschränkungen werde man noch länger leben müsse. Erforderlich sei ein klarer Stufenplan, wann welche Maßnahmen kommen würden.

Der Bundestag stimmte am Freitag dem Bundeshaushalt 2021 (19/23322 bis 19/23326), der Ausgaben von fast 500 Milliarden Euro und eine Neuverschuldung von knapp 180 Milliarden Euro vorsieht, zu. 361 Abgeordneten stimmten mit Ja und 258 mit Nein.