Vor 20 Jahren entsandte der Bundestag die Bundeswehr im Rahmen eines UN-Mandates nach Afghanistan. Ziel der Mission war die Stabilisierung des vom Bürgerkrieg und der Taliban-Herrschaft zerstörten Landes. Nach der Entscheidung von US-Präsident Joe Biden, seine Truppen bis zum 11. September 2021 vom Hindukusch abzuziehen, wird auch die Bundeswehr ihren Einsatz beenden. Die Wechselbeziehung von Soldaten, Gesellschaft und Politik beleuchtet der bekannte Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel in seinem kontrovers diskutierten Buch.
"Die Bundeswehr ist am Hindukusch erwachsen geworden", bilanziert der Autor. Erstmals in ihrer Geschichte habe sie vor der Herausforderung gestanden, einen Krieg nicht nur zu simulieren, sondern zu führen. Zunächst schien es so, als hätten die Streitkräfte in ihren Friedensmissionen eine Aufgabe gefunden, "die außenpolitisch nützlich und zugleich gesellschaftlich vermittelbar war". Dennoch musste man auch in Deutschland lernen, mit Tod und Verwundung umzugehen.
Neitzel kritisiert die fehlende Strategie und die Illusionen sowohl bei der militärischen Führung als auch bei der Bundesregierung, in Afghanistan einen starken Staat aufbauen zu können. Politik und Bundeswehr hätten aus den Erfahrungen in Afghanistan nichts gelernt, wie der Einsatz in Mali zeige. Dort würden dieselben Fehler wie am Hindukusch wiederholt. Die entscheidende Lehre, die die Bundesregierung aus dem Afghanistan-Einsatz ziehen müsse, laute daher, dass sich Deutschland nie wieder in einen Krieg hineinziehen lassen dürfe.
Kritisch blickt Neitzel auf die aktuelle sicherheitspolitische Lage mit der "Rückkehr des Kalten Krieges". In diesem Zusammenhang zielt er auf die russische Annexion der Krim und die Aufrüstung Chinas. Trotz aller "wohlmeinenden Worte" falle Berlin weiterhin als Motor einer europäischen Verteidigung aus.
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