Gescheiterte Großmächte: 1989 zogen die sowjetischen Truppen nach zehn Jahren aus Afghanistan ab (links). Ebenso erfolglos hatte das britische Empire mehrfach versucht, das Land unter Kontrolle zu bringen. © picture-alliance/dpa/Alexander Liskin/akg-images
Die Folgen der britischen und sowjetischen Interventionen sind bis heute spürbar
Als im Herbst 2001 US-Präsident George W. Bush gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Bitte äußerte, gemeinsam in Afghanistan einzumarschieren, lehnte Putin "aus verständlichen Gründen" ab. 20 Jahre später, am 24 August 2021, bekräftigte der Kreml-Herr seine Politik der Nichteinmischung: Die Sowjetunion habe ihre Erfahrungen in Afghanistan gemacht und "wir haben die…
Von Pakistan unterstützt errichteten sie in den 1990er Jahren ihre brutale Herrschaft. Für eine Mäßigung spricht wenig
Im Frühjahr 1994 machten sie im Süden Afghanistans erstmals von sich Reden - die Taliban. Unter Führung ihres Kommandeurs Mullah Omar wollten sie für Gerechtigkeit und Ordnung gemäß der islamischen Gesetze sorgen. Unterstützung erhielten die Taliban von Stammesfürsten der Paschtunen, die in ihnen eine willkommene Hilfe gegen Präsident Burhanuddin Rabbani, einen Tadschiken, sahen. Überraschend…
Trotz eines gewaltigen Aufwands scheiterte der Westen an Fehlentscheidungen und Korruption
Der Verbindungsbeamte des Bundeskriminalamts im "Provincial Reconstruction Team" (PRT), das die Bundeswehr erst ein paar Monaten zuvor von den USA in der Stadt Kundus übernommen hatte, stapfte wutschnaubend durch das Lager. "Die richten Kontrollen absichtlich dort ein, wo keine Drogen transportiert werden", schimpfte der Mann 2004 über seine Landsleute von der Bundeswehr, "wie soll das hier…
OEF - Operation Enduring Freedom (2001 - 2010) Für die Anti-Terror-Operation der Nato stellte Deutschland 3.900 Soldaten bereit, darunter 100 Spezialkräfte. Ihre Einsatzgebiete waren Afghanistan und das Horn von Afrika. ISAF - International Security Assistance Force (2001 - 2014) Zeitweise mehr als 5.000 deutsche Soldaten waren im Rahmen der Schutzmission in Afghanistan stationiert Bei…
Zerreißprobe beim ersten Afghanistan-Votum
20 Jahre lang hat der Bundestag mehrheitlich immer wieder grünes Licht für die Afghanistan-Einsätze der Bundeswehr gegeben, zuletzt vor fast drei Wochen für deren Evakuierungsmission in Kabul (siehe Beitrag links). Die Parlamentsarmee in bewaffnete Auslandseinsätze zu schicken, dürfte niemals leicht fallen, doch zeigt insbesondere die erste Entscheidung des Bundestags vom 16. November 2001…
Nach planmäßigem Abzug evakuierte sie Tausende aus dem Chaos
Das letzte Foto ist so gespenstisch wie der Vorgang, für den es steht: Ein Soldat in Kampfmontur an der Heckrampe eines Transportflugzeugs, von der Nachtsichtkamera in grünes Licht getaucht. Generalmajor Chris Donahue, Kommandeur der 82. Fallschirmjägerdivision, verlässt als letzter US-Soldat Afghanistan. Eine Supermacht gibt sich geschlagen. Ihre Verbündeten mussten schon Tage vorher…
Der Streitkräfte-Aufbau sollte den Bestand der »Islamischen Republik Afghanistan« sichern. Für die Kapitulation dieser Armee innerhalb von Wochen gibt es viele Gründe
Die Afghan National Army - kurz ANA - hat sich derart rasch unter der Taliban-Offensive aufgelöst, dass sich Beobachter verwundert die Augen rieben. Wo waren die Früchte vergangenen 20 Jahre geblieben, in denen diese Armee von den Nato-Staaten aufgebaut und gut ausgerüstet wurde? Im Jahr 2002 ins Leben gerufen, schaffte es die Nationalarmee nie, eine dauerhafte Raumkontrolle im Land zu…
Anders als 2015 sind viele Grenzen auf der Route Richtung Europa versperrt. Die EU versucht mit Geldzusagen, die Fluchtwilligen in der Region zu halten
Dem Schock folgte die Angst. Kaum hatte sich der Westen verwundert die Augen gerieben, ob der schnellen Eroberung der afghanischen Hauptstadt Kabul durch die Taliban, da erklangen auch schon die ersten Warnungen. Was, wenn nicht nur die für die Deutschen tätigen Ortskräfte in die Bundesrepublik flüchten wollten (deren Rettung per Luftbrücke zumindest begonnen wurde, siehe Seite 8), sondern…
Afghanistan hat das Selbstverständnis der Truppe verändert
Wir sind von der eigenen Regierung moralisch verletzt, und das ist beschämend." Es sind offene und harte Worte, die Marcus Grotian am 24. August dieses Jahres vor der Bundespressekonferenz in Berlin wählt. Der Vorsitzende des "Patenschaftsnetzwerkes Afghanische Ortskräfte" macht keinen Hehl aus der tiefsitzenden Frustration angesichts der chaotischen Situation in Afghanistan. Und er erhebt…
Der Luftangriff von Kundus wurde zum politischen Menetekel des Afghanistan-Einsatzes
Es ist bemerkenswerter Schritt den Ulrich Hermann, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof (BGH), und sein Richter-Kollege Harald Reiter Anfang August dieses Jahres machten. In einem Leserbrief an die renommierte Fachzeitschrift "Neue Juristische Wochenschrift (NJW)" rollten sie den Fall des Luftangriffs von Kundus auf zwei von Taliban-Kämpfern entführte Tanklastzüge im Jahr 2009 noch…
Viele ehemalige Helfer deutscher Behörden und Firmen müssen sich in Afghanistan vor den Taliban verstecken
Der junge Mann, der aus der Notunterkunft für Flüchtlinge in Radolfzell am Bodensee schlendert, hat es geschafft. Der ehemalige Bundeswehr-Dolmetscher ist einer der wenigen Ortskräfte, die die Bundesregierung, zusammen mit Ehefrau und zwei Kindern, bereits im Juli aus Afghanistan herausgeholt hat. Der Mann hat von 2011 bis 2012 für die Berater der Bundeswehr gedolmetscht. Ab 2017 arbeitete…
Viele Soldaten werden im Einsatz mit schrecklichen Erlebnissen konfrontiert, die lange nachwirken und die Psyche schwer schädigen können
Die Wand, hinter der sich Kriegstraumata verbergen, ist dick. Soldaten, die im Einsatz furchtbare Dinge erlebt haben, ziehen sich oft zurück und versuchen, den Schrecken selbst zu verarbeiten, bevor ihnen klar wird, dass sie professionelle Hilfe brauchen. Viele Betroffene sind nicht in der Lage, die extreme Belastungssituation richtig einzuordnen. Sie durchleben ein Gefühlschaos, Ängste,…
Die afghanische Menschenrechtsaktivistin Shaharzad Akbar über ihre gefährliche Arbeit in Kabul, die Flucht nach Istanbul und die Versäumnisse der internationalen Gemeinschaft
Frau Akbar, Sie sind Vorsitzende der größten Menschenrechtsorganisation in Afghanistan. Am 15. August haben die Taliban auch Kabul übernommen. Wie geht es nun mit Ihrer Arbeit weiter? Das ist schwer zu sagen. Es ist gut möglich, dass es die Kommission in einer Taliban-Regierung nicht mehr geben wird. Und das bricht mir das Herz. Seit 19 Jahren haben Menschen für diese Institution gekämpft.…
Die staatliche Strukturen sind fragil und ohne Hilfe von Außen kaum leistungsfähig. Nach dem Ende der Ghani-Regierung sind nun auch die Errungenschaften der vergangenen Jahre in Gefahr
Der zivile Wiederaufbau war von Anfang an fester Bestandteil des deutschen Engagements in Afghanistan. Dennoch blieb er - sowohl was die finanziellen Ressourcen, als auch was die öffentliche Wahrnehmung anging -, oft im Hintergrund. Zwei Drittel der Gesamtausgaben von etwa 20 Milliarden Euro wurden für den Bundeswehreinsatz aufgewendet, deutlich mehr als für humanitäre Hilfe und…
Auf breite Unterstützung können die Taliban nicht zählen. Lokale Gruppierungen und die junge Zivilbevölkerung sind ein Hindernis für ihre Herrschaft
Mit ihrer gerade vorgestellten Regierung haben die Taliban ihre Gegner nicht enttäuscht: Als erstes haben sie das Frauenministerium abgeschafft. Stattdessen gibt es jetzt ein Ministerium für Tugend und gegen das Laster. Der bisherige Staat hingegen hat sich in Windeseile aufgelöst - was allerdings nicht überraschend ist. Denn das politische System, das 2001 nach dem Einmarsch der US-Truppen…
Afghanistans Geschäft mit dem Schlafmohn
Kein Land der Welt produziert mehr Opium als Afghanistan. 2020 lag die geschätzte Menge bei rund 6.300 Tonnen und machte laut UN-Weltdrogenbericht 85 Prozent des weltweiten Bestands aus. Opium wird aus den Samenkapseln des Schlafmohns gewonnen und durch chemische Weiterverarbeitung zu Heroin. Der Anbau von Schlafmohn sowie Handel und Export von Opium und Heroin haben in Afghanistan einen…
Wie die Region auf die Machtübernahme durch die Taliban reagiert
Die Schockwellen, die der Zusammenbruch der afghanischen Regierung aussendete, reichten bis nach Europa und in die USA. Dort lösten sie Debatten über die Fehler der westlichen Afghanistan-Politik aus (siehe auch Text unten). Unmittelbarer zu spüren sind die Auswirkungen des Herrschaftswechsels aber in Afghanistans Nachbarschaft. Die umliegenden Länder sind direkt mit den Folgen der…
Beim »State and Nation Building« fehlt es oft an Strategie, verlässlichen Partnern und Geduld
US-Präsident Joe Biden hat mit dem Abzug aus Afghanistan nicht nur einen unpopulären Krieg beendet, sondern nach eigenem Bekunden gleich eine ganze Ära abgeschlossen. Die Epoche des großformatigen "Nation Building" sei für die USA angesichts der bescheidenen und häufig enttäuschenden Ergebnisse vorbei. Stattdessen werde sich seine Regierung nunmehr dem "Nation Building" in den USA widmen.…